Visite der fehlenden Ausgewogenheit

Trotz dreitägigen Aufenthalts ist kaum Zeit für die Palästinensischen Gebiete vorgesehen

  • Oliver Eberhardt, Jerusalem
  • Lesedauer: 4 Min.
Eine Regierungschefin, acht Minister: Selbst im an Politikerbesuche gewöhnten Jerusalem ist der Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrer Kollegen etwas ganz Besonderes. Die Bundesregierung will damit zeigen, wie wichtig ihr die Beziehungen zu Israel sind.

Darf sie nun oder darf sie nicht? Die Frage, ob die deutsche Bundeskanzlerin am Dienstag in Jerusalem vor der Knesset auf Deutsch spricht, ist noch offen. Es ist die Frage, die immer wieder auftaucht, wenn deutsche Politiker in Israel zu Besuch sind und öffentlich sprechen. Aber es ist auch eine Frage, die, wie es scheint, rapide an Stellenwert verliert: Ja, es gibt sie immer noch, die rechten israelischen Abgeordneten, die damit drohen, den Saal zu verlassen, wenn sie im Plenum des Parlamentes auch nur einen Ton Deutsch vernehmen, aber dieses Mal sind es nur noch wenige – so zwei oder drei ungefähr.

Der Rest der Knesset hingegen gibt sich von vorne bis hinten als guter Gastgeber: Nicht nur, dass fast alle der zwölf im Parlament vertretenen Parteien ihre Fraktion darauf eingeschworen haben, zu akzeptieren, dass Merkel auf Deutsch sprechen wird. Kurzerhand wurde auch die Geschäftsordnung des Parlaments geändert, denn eigentlich dürfen nur ausländische Staatschefs und Königinnen und Könige vor der Knesset sprechen. Und Angela Merkel ist als Bundeskanzlerin nach Bundespräsident und Bundestagspräsident nur die Nummer drei im Staate (wie der israelische Ministerpräsident übrigens auch).

Dass man Merkel mit offenen Armen empfängt, hat einen guten Grund: Sie kommt nicht allein, sondern mit acht Ministerinnen und Ministern, also mehr als der Hälfte des Bundeskabinetts, als Reisebegleitung, und das hat es auch im an Politikerbesuche gewöhnten Jerusalem noch nicht gegeben. Man wolle mit diesem Besuch anlässlich des anstehenden 60. Jahrestages der Gründung des Staates Israel ein besonderes Zeichen setzen, heißt es aus dem Bundespresseamt in Berlin: »Das deutsch-israelische Verhältnis war stets ein ganz Besonderes. Aus einer Atmosphäre des gegenseitigen Misstrauens ist eine tiefe Freundschaft geworden, in der es keine Tabus mehr gibt. Die Bundesregierung möchte zeigen, dass sie sich auch heute ihrer besonderen Verantwortung für Israel bewusst ist.«

Eine »besondere Ehre«, nennt dies Mark Regev, Sprecher von Premierminister Ehud Olmert: »Dass uns ein Großteil einer deutschen Regierung zum 60. Ge- burtstag unseres Staates besuchen kommt, ist etwas, dessen Bedeutung man gar nicht genug betonen kann.«

Schon Tage zuvor hatte Merkel die politische Tagesordnung dieser Reise öffentlich festgelegt: Wer Israel bedrohe, bedrohe auch die Bundesrepublik, erklärte sie in ihrem Podcast, einer im Internet veröffentlichten Ansprache, während Außenminister Frank-Walter Steinmeier in Interviews die enge Freundschaft zu Israel würdigte. Und – bereits Ende vergangener Woche meldeten israelische Medien, Merkel wolle gemeinsam mit Tony Blair, Gesandter des Nahost-Quartetts aus Europäischer Union, Vereinigten Staaten, Russland und Vereinten Nationen, für Anfang Juni zur Nahost-Konferenz in Berlin laden. Ein Sprecher der Bundesregierung bestätigte die Pläne: Bei der Konferenz solle es vor allem um den Aufbau von Polizei und Justiz gehen; die Palästinenser sollten auf die Übernahme der Verantwortung im zu gründenden Staat vorbereitet werden.

Nur: Ob sie die von ihr angestrebte aktive Rolle im Nahost-Friedensprozess wirklich wird ausfüllen können, daran wurden im Laufe der vergangenen Tagen auch in israelischen Medien Zweifel laut. Denn Merkel besucht zwar zum dritten Mal Israel, aber für die Palästinensischen Gebiete hat sie wie bei den vorangegangenen beiden Besuchen auch dieses Mal wenig Zeit – ein Signal, das von den Palästinensern als eindeutige Parteilichkeit aufgefasst wird, und das deshalb diplomatische Initiativen ins Wanken bringen könnte. Zwar begrüßte Präsident Mahmud Abbas den Vorschlag der Nahost-Konferenz. Doch Saeb Erekat, Chefunterhändler der Palästinensischen Autonomiebehörde, kritisiert, es sei »schade«, dass die Bundeskanzlerin und ihre Minister zwar drei Tage in der Region seien, aber dennoch nur wenig Gelegenheit fänden, sich auf der palästinensischen Seite umzusehen: »Mir hat sich der Eindruck aufgedrängt, dass sich die Bundeskanzlerin für eine Seite entschieden hat. Ich würde mir in dieser Situation mehr Ausgewogenheit wünschen.«

Kritik wird auch im Bundestag laut: So forderte Fritz Kuhn, Fraktionsvorsitzender der Grünen, Kanzlerin Merkel solle auch Kritik üben, Israel dazu auffordern, den Gaza-Streifen und die radikalislamische Hamas in den Friedensprozess mit einzubeziehen. Auf offene Ohren dürfte diese Kritik indes kaum stoßen.

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