Die Erntehelfer ziehen weiter

Schwierige Tarifverhandlungen für Saisonarbeiter in der Landwirtschaft

  • Anke Engelmann
  • Lesedauer: 2 Min.
Wenn die Spargelsaison beginnt, ist es wieder soweit: Hunderttausende Erntehelfer, überwiegend aus dem mittel- und osteuropäischen Ausland, kommen nach Deutschland, um in der Landwirtschaft zu arbeiten. Oftmals für einen Hungerlohn.

»Junge dynamische Rumänen suchen Saisonarbeit in der Landwirtschaft oder als Aushilfsarbeiter«, lautet eine Anzeige auf einer Internetseite zum Thema Spargel. Derer gibt es viele: 291 000 überwiegend ausländische Saisonarbeitskräfte waren Ende vergangenen Jahres in der Landwirtschaft tätig, weiß der Deutsche Bauernverband, die Bundesagentur für Arbeit (BA) meldet knapp 280 000. Die Quote ausländischer Arbeitnehmer darf bei der Ernte gewöhnlich 80 Prozent betragen, wenn sich zu wenige einheimische Erntehelfer finden, kann auf 90 erhöht werden. Die entsprechende Regelung hatte das Arbeitsministerium Ende vergangenen Jahres eingeführt, nachdem vor zwei Jahren ALG-II-Empfänger zur Erntehilfe zwangsverpflichtet worden waren und häufig die schwere Arbeit nicht durchhielten.

Schwere körperliche Belastung, bei gutem Wetter von früh bis spät, Unterbringung und Verpflegung direkt am Arbeitsort: Der Job als Erntehelfer ist nicht jedermanns Sache. Zumal der Verdienst nicht gerade üppig ausfällt. Alle regionalen Tarifverträge sind gekündigt, informiert die Industriegewerkschaft Bauen Agrar Umwelt (IG BAU). Der Lohn der von der Ar- beitsagentur vermittelten einheimischen und ausländischen Arbeitskräfte richtet sich deshalb nach dem ortsüblichen Durchschnitt: im Osten 6,35 Euro brutto pro Stunde, in den alten Bundesländern 7,94 Euro. Die Tarifverhandlungen werden regional geführt, einen Mindestlohn für Saisonarbeiter lehnt der Gesamtverband der Land- und Forstwirtschaftlichen Arbeitgeber strikt ab. »Das wird ein mühseliges und kleinteiliges Geschäft, bis verbindliche Löhne stehen«, sagt IG BAU-Sprecherin Sigrun Heil. Damit auch die Verbraucher sicher sein können, dass die Pflücker von Spargel, Kirschen oder Erdbeeren nicht mit Dumpinglöhnen bezahlt wurden, entwickelt die IG BAU zudem derzeit ein freiwilliges Gütesiegel.

Inzwischen bleiben den Bauern die Erntehelfer weg. 63 000 ausländische Saisonarbeitskräfte, ganze 22 Prozent, stornierten im vergangenen Jahr bei der Zentralen Auslandsvermittlung der BA. Vor allem die polnischen Arbeiter ziehen lieber weiter nach Großbritannien, Frankreich oder Belgien. Kein Wunder, denn in punkto Verdienst liegt die Bundesrepublik europaweit an viertschlechtester Stelle, so die IG BAU. Schließlich werden vom Lohn die Kosten für Unterkunft und Verpflegung abgezogen: im Schnitt etwa 400 Euro. In Belgien beispielsweise beträgt der Mindestlohn 7,84 Euro pro Stunde, die Abzüge liegen bei nicht über 50 Euro.

Um den Mangel zu kompensieren, der durch das Fernbleiben der polnischen Arbeiter entsteht, werden nicht etwa die Tarifverhandlungen forciert. Derzeit verhandele die BA mit der bulgarischen Arbeitsverwaltung, um Absprachen für den Einsatz bulgarischer Saisonkräfte zu treffen, teilt das Ministerium für Arbeit und Soziales mit.

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