Spekulation versus Investition

  • Christa Luft
  • Lesedauer: 3 Min.
»Wenn die Finanzkrise hierzulande auf die Realwirtschaft überspringt, hat Steinbrück persönlich daran eine Aktie.«
Kurz, Nick, Luft & Hickel: Spekulation versus Investition

Der Chef der Deutschen Bank hatte sich 2006 im Mannesmann-Prozess empört, Deutschland sei das einzige Land, in dem jene, die Werte schaffen, vor Gericht stehen. Er spielte darauf an, dass der Börsenwert des Mobilfunkherstellers während des Übernahmekampfes mit Vodafone um 80 Milliarden Euro zulegte. Diese Wertsteigerung rechtfertige die umstrittene stattliche Anerkennungsprämie für Konzernchef Esser.

Spekulation schafft also laut Ackermann Werte. Eine verhängnisvolle Sicht! Genau die liegt aber dem von ihm und anderen als Imperativ verkündeten Ziel von mindestens 25 Prozent Eigenkapitalrendite zugrunde, eine Marke, die mit normaler Wertschöpfung eines Unternehmens in der Realwirtschaft nicht erreichbar ist. Daher der Run von Banken mit gigantischen Anlagesummen auf immer windigere, als »innovativ« angebotene Finanzgeschäfte, zuletzt auf US-amerikanische bonitätsschwache Immobilienkredite.

»Spekulation« (lat. speculari: beobachten, erspähen) steht im Alltag für eine auf Mutmaßungen beruhende Erwartung. In der Wirtschaftssprache bezeichnet sie eine auf Gewinne aus Preis- oder Kursveränderung abzielende kurzfristige Geschäftstätigkeit, die aufgrund hoher Risiken eine lukrative Rendite verspricht. Diese Geldanlage ist von der langfristig geplanten Investition zu unterscheiden.

Spekulation ist Jonglieren mit Geld. Das Ergebnis besteht in der Differenz zwischen Kauf- und Verkaufspreis eines Handelsobjekts, bereinigt um Transaktionskosten. Ist es negativ, wie derzeit beim Deal mit US-Hypotheken, rufen Banken ungeniert nach dem Staat. Das unrühmlichste Beispiel ist die private Mittelstandsbank IKB, die bis jetzt allein über sieben Milliarden Euro öffentliche Hilfen einsackte. In die Bresche sprang als größter Einzelaktionär die staatseigene KfW-Bankengruppe. Die musste erhebliche Wertberichtigungen vornehmen. Aus einem geplanten Jahresüberschuss wurde ein kräftiger Verlust. Das gefährdet den originären Auftrag der KfW, die Vergabe zinsgünstiger Darlehen vor allem an Kleinunternehmen und Firmengründer.

Vom Spekulationsfieber waren auch öffentlich-rechtliche Landesbanken angesteckt. Deren Verluste werden ebenfalls beim Steuerzahler abgeladen. Für Bund und Länder addieren sich Bürgschaften und Hilfen für die Bankenbranche bislang insgesamt auf fast 20 Milliarden Euro. Allein mit diesem verbrannten Geld wäre ein Großteil der von der LINKEN geforderten Zukunftsinvestitionen in Bildung, Infrastruktur und Umwelt realisierbar gewesen.

Der Bundesfinanzminister warnt angesichts der Folgen des von den USA ausgehenden Finanzchaos vor der »größten Krise der letzten Jahrzehnte«. Wenn die hierzulande auf die Realwirtschaft überspringt, hat Peer Steinbrück persönlich daran eine Aktie. Denn die seitens der Schröder-Regierung forcierte Pflege von Verursachern der Spekulation setzte er fort. Mit fremdem Vermögen jonglierende Hedge-Fonds und private Zweckgesellschaften wurden in Deutschland erst zugelassen, Steuern für Konzerne massiv gesenkt und Gewinne aus Unternehmensverkäufen steuerfrei gestellt. Dubiose Geschäfte von Managern mit Aktienoptionen sind weiter geduldet und Bankvorstände sowie Aufsichtsräte nicht für falsche Kapitalmarktinformationen zur Haftung herangezogen worden. Eine spekulationshemmende Börsenumsatzsteuer lehnt er ab und der auftragswidrigen Beteiligung von Landesbanken an Spekulationen hat er zugesehen.

Ohne kluge nationale und Internationale Regulierung des Finanzsektors ist Spekulation nicht einzudämmen.

Immer freitags: In der ND-Wirtschaftskolumne erläutern der Philosoph Robert Kurz, der Ökonom Harry Nick, die Wirtschaftsexpertin Christa Luft und der Wissenschaftler Rudolf Hickel Hintergründe aktueller Vorgänge.

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