nd-aktuell.de / 11.04.2008 / Brandenburg / Seite 16

Liebeskummer mit bösen Folgen

Oberschüler wegen einer Morddrohung zu Freizeitarbeit verurteilt

Peter Kirschey

20. November 2006: Mit Messern, Gewehren und einer selbst gebastelten Bombe ausgerüstet, stürmt ein ehemaliger Schüler die Geschwister-Scholl-Realschule in Emstetten. Er schoss wild um sich, verletzte fünf Personen und brachte sich anschließend um. In seinem Abschiedsbrief schrieb er als Motiv: »Ich verabscheue Menschen.« Die Stimmung war aufgeheizt in Deutschland. »Amoklauf« schrie es aus allen Medien.

14 Tage später an der Carl-von- Ossietzky-Oberschule in Kreuzberg: Zwei Schüler geraten in einer Schulecke in Streit, das Mädchen erzählt ihrer Freundin von dem lauten Wortwechsel mit einem Jungen ihrer Klasse. Die Freundin, nicht Zeugin der Wortattacken, geht sofort zum Direktor. Aus dem Streit wird eine Morddrohung und ein mutmaßlicher Amoklauf. Das scheinbar banale Gezänk löst eine Lawine aus. Dem Schulleiter bleibt nichts anderes übrig, als sofort zu handeln.

Schüler Fatih, damals knapp 18 Jahre, heute 20, musste unverzüglich die Schule wechseln und stand gestern vor Gericht. Wegen »Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten«, heißt es in der Anklageschrift. In der verbalen Auseinandersetzung mit der Mitschülerin soll er gedroht haben, zwei Mädchen den Kopf abzuschlagen und das mit seiner Telefonkamera zu filmen. Auch soll das Wort »Amoklauf« gefallen sein. Fatih beteuert seine Unschuld, das Mädchen als Zeugin kann sich nach so langer Zeit an Einzelheiten nicht mehr erinnern. Doch müssen seine Worte so bedrohlich gewesen sein, dass sie es mit der Angst zu tun bekam. Eigentlich sei er ein netter, hilfsbereiter Junge gewesen, sagt sie, deshalb war sie auch so erschrocken.

Fatih wirkt sichtlich verstört vor dem Richter, denn eigentlich war es nur eine dumme Liebesgeschichte, die ihn ausrasten ließ. Er war verknallt in eine Schülerin, die spielte nicht mit. Irgendwie kam das heraus und er wurde zum Gespött der Klassenkameraden. Ob sie ihm eins auswischen wollte, als sie ihrer Cousine, der Belastungszeugin, davon erzählte? Wer weiß.

Attentat oder Amoklauf seien für ihn kein Thema, beteuert der Junge, für den Islam seien dies Verbrechen. Er kommt aus einer armen türkischen Familie, wächst ohne Vater auf, die Mutter ist schwer krank, er wird seit Jahren psychologisch betreut. Das allerdings ist kein Beleg dafür, dass er nicht zu einer Verzweiflungstat fähig wäre. Doch in diesem Falle ist die tatsächliche Absicht für ein geplantes Verbrechen nicht nachzuweisen.

So entscheidet der Richter, der öffentliche Frieden sei durch den Schülerstreit nicht gefährdet gewesen. Aber es war eine Drohung und die müsse geahndet werden, als Mahnung, die Zunge besser unter Kontrolle zu halten. Er verordnet drei Beratungen bei der Jugendgerichtshilfe Kreuzberg und 20 Stunden Freizeitarbeit.