nd-aktuell.de / 17.04.2008 / Politik / Seite 2

Schwarzer Horror, grüner Trip

Die CDU in Hamburg und Hessen auf Partnersuche / Politik für Kapitalisten und Besserverdienende: Ökopartei und Neo-Konservative finden zusammen

Jürgen Elsässer
Manchmal sagt ein Bild mehr als tausend Worte: Wenn die grüne Fraktionsvorsitzende Christa Goetsch und der christdemokratischen Bürgermeister Ole von Beust sich nach stundenlangen Koalitionsverhandlungen von den Fotografen ablichten lassen, sind die Gesichter entspannt und glatt. In den Augen des Grandseigneurs blitzt der Schalk, hinter den rotgeschminkten Lippen der attraktiven Aufsteigerin spielt die Zunge. Macht ist eine erotische Angelegenheit, über die sexuellen Demarkationslinien hinweg – für die Sieger.

Heute soll in Hamburg die erste rot-grüne Liaison auf Länderebene feierlich verkündet werden. Die Verhandlungen nach der Bürgerschaftswahl Ende Januar gingen flott voran: Nachdem die Grünen bereits nach 90 Minuten die Sondierungsgespräche mit der SPD abgebrochen hatten – einer rot-grünen Regierung hatte die Linksfraktion eine Tolerierung in Aussicht gestellt –, stürzten sie sich mit Leidenschaft in Gespräche mit den Konservativen. Auf einem Landesparteitag gab die einstige Ökopartei dafür mit 90-prozentiger Mehrheit grünes Licht – obwohl die Landesvorsitzende Anja Hajduk keinen Hehl daraus machte, dass das neue Modell den Bruch wichtiger grüner Wahlversprechen mit sich bringen würde.

Die fettesten Kröten
Nach den Berichten, die aus den schwarz-grünen Kuschelrunden im noblen Hotel »Grand Elysee« durchgesickert sind, haben die Grünen die fettesten Kröten geschluckt. Das erste Opfer für die künftige Koalition brachten sie in der Frage der Studiengebühren: Obwohl die Grünen im Wahlkampf vollmundig gegen die Campus-Maut in Höhe von 500 Euro gewettert hatten, stimmten sie Anfang April in der Bürgerschaft gegen deren Abschaffung. Faul ist der Kompromiss bei der von der CDU geforderten Elbvertiefung: Statt um einen soll die Fahrrinne nur um einen halben Meter ausgebaggert werden.

Der einzige Punkt, an dem die Grünen sich durchsetzen konnten, ist ein Triumph der Ökologie über die Interessen der Arbeiterschaft: Der Verzicht auf das Kohlekraftwerk Moorburg stößt nicht nur beim Auftraggeber Vattenfall und der Handelskammer Hamburg auf entschiedenen Protest, sondern auch bei den Betriebsräten und Vertrauensleuten der Norddeutschen Affinerie, des Alu-Unternehmens Trimet und des Stahlwerkes ArcelorMittal. Die Arbeiter der drei größten Stromverbraucher Hamburgs fürchten um die Energiesicherheit ihrer Produktion – und damit um ihre Arbeitsplätze.

Typisch grün auch der Fortschritt bei der Kinderbetreuung: Bisher hat jeder kleine Hanseate ab dem dritten Lebensjahr Anspruch auf einen Kita-Platz. Künftig soll das ab dem zweiten Lebensjahr der Fall sein. Nur im Kleingedruckten ist zu lesen, dass damit das »vollendete« zweite Lebensjahr gemeint ist. So raffiniert mit Worten lügen können nur Intellektuelle, die die Nöte der kleinen Leute höchstens aus der »Lindenstraße« kennen. Der Parteiforscher Franz Walter verallgemeinert: »Keine Partei ist mittlerweile in soziologischer Perspektive bürgerlicher als die Grünen. Ihre Anhänger beziehen in Deutschland die höchsten Gehälter; ihre Wähler sind weit akademischer als der Rest des Elektorats; ihre Sympathisanten steigen häufiger als alle anderen zu langen und ausgiebigen Urlaubsreisen in die Flugzeuge dieser Welt.«

Schwarz wird orange
Hamburg ist überall: Der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger, vergangenes Jahr noch als Lobredner auf den Marinescharfrichter Hans Filbinger hervorgetreten, warb als erster CDU-Landesvater Mitte März für die grüne »Öffnung« seiner Partei auch auf Bundesebene. Und in Hessen staunen die Parteifreunde des amtierenden Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) derzeit, »wie rasant der Politikprofi seit der Landtagswahl Ende Januar die 180-Grad-Steilkurve vom beinharten Grünen-Gegner zum freundlichen Musterökologen nimmt« – so der »Spiegel« in seiner aktuellen Ausgabe. Stilbildend die Metamorphose des hessischen Rechtsauslegers Hans-Jürgen Irmer: Der hatte bisher Schwule zur Überwindung »ihrer Neigung« aufgefordert, bei Burschenschaften Referate gehalten und den grünen Spitzenkandidaten Tarek Al Wazir gerne mit seinem zweiten Vornamen »Mohammed« genannt. Nun schickte ihn Koch vor, um den Grünen Lockangebote für ein Regierungsbündnis mit CDU und FDP zu machen.

Bislang bezeichnete man dieses Modell als Jamaika-Koalition – nach den Nationalfarben der Karibikinsel. Doch man wird sich wohl einen besseren Begriff suchen müssen: Die Union, die bisher als die Schwarzen firmierten, traten schon in Hamburg unter oranger Flagge auf. Schwarz – das stand für die Kirche und damit das karitative Element, mit dem die Union bis in die Ära Kohl hinein ihre prokapitalistische Politik abfederte. Nachdem ausgerechnet die Regierung des SPD-Mannes Gerhard Schröder die sozialen Elemente der Verfassung geschreddert hat, kann auch die Union auf die Fürsorge für ihre arme Klientel verzichten, die sie bis dato dem hohen C in ihrem Kürzel schuldig war.

Die Grünen sind als Partner auf dem Weg in den Raubtierkapitalismus ideal, da sie den Horrortrip als Abenteuersafari darstellen können. Etwa nach dem Motto: Familie ist sowieso reaktionär, also streichen wir die entsprechenden Sozialausgaben und führen zum Ausgleich die Schwulen-Ehe ein. Und wer was dagegen hat, ist ein altbackener Macho.