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Wo der Impressionismus herkommt

Auf der »Côte d'Azur der Maler« unterwegs an der französischen Mittelmeerküste

  • Hanne Walter
  • Lesedauer: 5 Min.
Der Hafen von Antibes im Original und wie Eugène Boudin ihn 1893 malte
Der Hafen von Antibes im Original und wie Eugène Boudin ihn 1893 malte

Dem azurblauen Himmel verdankt die französische Mittelmeerküste ihren Namen und die Menschheit hunderte berühmte Gemälde. Sie erzählen von der Schönheit der Landschaft. »Als ich begriff, dass ich jeden Morgen aufs Neue dieses Licht sehen würde, konnte ich mein Glück nicht fassen«, schmolz Henri Matisse im Nizza des Jahres 1917 dahin. Eigentlich war der 48-jährige Maler an die Côte d'Azur gekommen, um seine lästige Bronchitis loszuwerden. Doch er war so überwältigt, dass er bis zu seinem Tod im Jahr 1954 blieb. Neben dem besonderen Licht faszinierte den Maler vor allem auch der Hafen, weil: »Ich liebe Bootsfahrten. Ich fahre jeden Nachmittag hinaus und male nur am Vormittag bei gutem Licht.« Das nutzte er dann, um mit leuchtenden Farben und schwungvollem Strich der südlichen Lebensart und den schönen Frauen ein Denkmal zu setzen.

Matisse war nicht der erste, der dem Zauber der französischen Mittelmeerküste erlag. Schon lange vor ihm geriet Paul Cézanne ins Schwärmen: »Es lebe die Sonne, die ein so wunderbares Licht schafft!« Und Claude Monet befand bereits 1888: »Man müsste mit Gold und Edelsteinen malen, wenn man Antibes richtig malen wollte.« Auch er blieb länger als beabsichtigt, statt der geplanten zwei Wochen volle sechs Monate. Nutzte verschiedene Tages- und Jahreszeiten und Witterungen aus, um seine neue Angebetete ins richtigen Licht zu setzen und für die Nachwelt zu verewigen. Eugène Boudin kam 1893 so erschöpft ans Meer, dass er meinte, so bald nicht wieder arbeiten zu können. Doch von der unerwarteten Motivfülle belebt, stellte er schon bald seine Staffelei an den Strand und schuf seinen »Hafen von Antibes«. Ein Klassiker unter den Sujets. Bereits 1868 malte Ernest Meissonier sich mit Sohn zu Pferd am leer gefegten Strand, im Hintergrund die trostlos anmutende Festung. Heute erscheint dieses Gemälde unwirklich, doch damals verlief sich tatsächlich kaum jemand am Meer.

Frankreichs Südosten und die Grafschaft Nizza gehörten noch im 18. Jahrhundert zu den ärmsten Regionen Europas. Erst nachdem der schottische Arzt und Reiseschriftsteller Tobias Smollett 1763 seine Auszehrung selbst bei Wind und Wetter mit ausgedehnten Bädern an der französischen Riviera bekämpfte und seine Erfolge die Runde machten, folgten zunächst ein paar Einheimische seinem Vorbild. Nach und nach reisten Familien aus England zum Überwintern an, und die Küstenbewohner vermieteten ihre Zimmerchen. Schon 1822 kamen so viele seiner Landsleute, dass der englische Reverend Lewis Way den ersten Abschnitt der Promenade sponserte, um den verwöhnten Flaneuren schmutzige Füße und verknackste Knöchel zu ersparen.

Den richtigen Sommerurlaub hier allerdings erfanden die Amerikaner ab 1915. In den zwanziger Jahren mischten sie die noblen Badeorte mit Jazz auf und beglückten die Welt schließlich mit einer Neuheit – dem Wasserski. Für Schriftsteller wie Hemingway, Getrude Stein und Dos Passos gehörte es zum guten Ton, die Partys der mondänen Sommerfrischler zu schmücken. Fortan veränderten sich die einst beschaulichen Küstenorte in rasantem Tempo.

Heute haben allein die 72 000 Einwohner von Antibes – nach Cannes und Nizza die drittgrößten Stadt an der Côte d'Azur – in der Saison etwa 170 000 Gäste zu verkraften. Aus dem verträumten, immer wieder gemalten Hafen ist der größte Yachthafen Europas geworden. Die Anziehungskraft auf die Maler aber ist bis heute ungebrochen. Auch für viele der jährlich mehr als acht Millionen Gäste der gesamten Ferienregion wurde das künstlerische Klima zunehmend zum Reisegrund. In Scharen pilgern sie beispielsweise in die von Picasso 1952 mit dem Bild »Krieg und Frieden« ausgemalte romanische Kapelle in Vallauris. In diesem Töpferdorf hat der Spanier viele Jahre am Ende seines Lebens verbracht und etwa 2000 Keramiken geschaffen.

In Cagnes hingegen lässt sich im Impressionismus schwelgen, denn Auguste Renoirs Villa, in der er 1919 starb, blieb originalgetreu erhalten. In den Wohnräumen und zwei Ateliers sind Malereien, Zeichnungen und Skulpturen des Künstlers ebenso wie sein Handwerkzeug und sein Rollstuhl zu besichtigen. Und der Garten mit knorrigen uralten Olivenbäumen und einer herrlichen Aussicht, der Renoir zu zahlreichen Bildern inspirierte. Sieben Jahre nach dem Tod des Meisters wurde das üppige Anwesen auch für Matisse zum Thema, und er malte »Le Jardin de Renoir«.

Nur wenige Landstriche können sich einer solchen Kunst- und Museumsdichte rühmen wie die Côte d'Azur. Das brachte das kommunale Tourismuskomitee auf die Idee, das natürliche – statistisch gesehen scheint an mehr als 300 Tagen im Jahr die Sonne – mit dem künstlerischen Klima zu verbinden und berühmte Gemälde dort zu zeigen, wo sie entstanden. Bislang wurden 51 aus zwei Jahrhunderten auf Lava-Tafeln reproduziert und führen auf der »Côte d'Azur der Maler« nach Antibes, Cagnes Sur Mer, Cannes, Grasse, Le Cannet, Menton, Mougins, Saint Paul de Vence und Villefranche Sur Mer zu den Plätzen, wo sich Claude Monet, Pierre Auguste Renoir, Raymond Peynet, Chaïm Soutine, Raoul Dufy, Marc Chagall, Pierre Bonnard, Jean Cocteau und viele andere zu ihren Bildern inspirieren ließen.

Hobbymaler sollten sich auf der Malerroute durch Natur, Städte und Dörfer keineswegs von dem Talent der Berühmtheiten einschüchtern lassen, denn Renoir zufolge war ja alles ganz einfach: »Eines Morgens benutzte einer von uns, der kein Schwarz mehr hatte, das Blau: Damit war der Impressionismus geboren.«

Infos: Französisches Fremdenverkehrsamt, Postfach 100128, 60001 Frankfurt/Main, Tel.: (0900) 57 00 25, www.franceguide.com oder www.guideriviera.com.

Reisezeit: Das milde mediterrane Klima garantiert zu fast jeder Zeit angenehme Reisetemperaturen. Nur im Juli und August wird es oft sehr heiß. Und voll.

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