nd-aktuell.de / 19.04.2008 / Sport / Seite 11

Schokoriegel für die Sieger

Thomas Wieczorek

Das werden die Jugendfänger von Privatfernsehen und Fastfoodindustrie aber gar nicht gern hören. Der Deutsche Leichtathletik-Verband will ihnen die Kundschaft abjagen: »Nachwuchs-Leichtathletik ist unser Gegenentwurf zu fetten, faulen und fernsehsüchtigen Kindern«, verkündet DLV-Präsident Clemens Prokop. »Rennen, Springen und Werfen sind ebenso Teil der Alltagskultur wie Leistungsstreben und sportliches Glücksgefühl.«

Was zunächst ein wenig größenwahnsinnig und weltfremd klingt, stützt sich aber auf knallharte Zahlen. Besonders Kinder und Jugendliche sind trotz ihres sinkenden Anteils an der Gesellschaft für den Mitgliederzuwachs von 78 000 auf 906 000 innerhalb binnen zehn Jahren verantwortlich. Rund 15 000 Sportlehrer bildete der DLV in den vergangenen fünf Jahren aus. Nun soll der Kampf um die Rückeroberung des Platzes im Schulsport beginnen.

Zweifelhaft erscheint allerdings, ob die – eigentlich jugendgefährdenden – Verblödungs- und Verfettungsbranchen den Kampf um die Jugend so einfach aufgeben werden, zumal man mit dem Abhalten der Kinder von den Schularbeiten eine weitere Fliege mit einer Klappe schlägt.

ARD und ZDF haben ihre Unterstützung für die Leichtathletik-Offensive noch nicht zugesagt. Schließlich ist es für die Zuschauer am Vorabend viel interessanter, Auffahrunfälle, Schönheitsoperationen oder Seitensprünge der Nachbarn von C-Promis zu verfolgen, als etwa Spannendes über Sprints, Hochsprung oder Kugelstoßen Jugendlicher zu erfahren. Aber vielleicht ist ein jugendsportfreundliches Fernsehen schon zu viel verlangt. Seien wir also zufrieden, dass das unterirdische Nachmittagsprogramm der Öffentlich-Rechtlichen unseren Nachwuchs ganz bestimmt nicht vom Training abhält.

Und was die Dickmacher anbetrifft: Vielleicht sollte man zur Entwöhnung als Preise bei Wettkämpfen übergangsweise Hamburger und Schokoriegel aussetzen – natürlich nur für die Sieger.