Von wegen »Partner des Parlaments«

Hessen: Innenminister will Landtagsforderung eines Abschiebestopps für Afghanen nicht umsetzen

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Erster Machtkampf zwischen Koch-Regierung und Parlament: Hessens Innenminister Volker Bouffier (CDU) weigert sich der Forderung des Landtags nachzukommen, einen Abschiebestopp für afghanische Flüchtlinge zu erlassen.

Zu einer Sondersitzung über die Frage der Abschiebung afghanischer Flüchtlinge kommt am Montag der Innenausschuss des Hessischen Landtags zusammen. Hintergrund ist der erste handfeste Konflikt und Machtkampf zwischen der ohne eigene Mehrheit amtierenden Landesregierung des geschäftsführenden Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) und einer faktischen Landtagsmehrheit aus SPD, Grünen und LINKEN.

Auf seiner ersten regulären Plenarsitzung war das Parlament Mitte letzter Woche mehrheitlich dem Antrag der Linksfraktion gefolgt und hatte in seinem Beschluss den amtierenden Innenminister Volker Bouffier (CDU) aufgefordert, einen Abschiebestopp für afghanische Flüchtlinge zu erlassen. Bouffier hingegen, der an der Sitzung des Innenausschusses teilnehmen wird, weigert sich, diesem Wunsch der Landtagsmehrheit nachzukommen.

Die parlamentarische Geschäftsführerin der Linksfraktion im Hessischen Landtag, Marjana Schott, hatte den Antrag auch mit Berichten des Auswärtigen Amtes untermauert, wonach in großen Teilen Afghanistans Menschen um Leib und Leben fürchten müssten. Solche Sachverhalte würden von der CDU bewusst ignoriert. Bouffier hingegen erklärte, eine solche von der Landtagsmehrheit geforderte Anordnung liege »weder im Interesse des Landes noch der Betroffenen« und sei auch nicht mit einem kürzlich ergangenen Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) vereinbar. Hessen würde mit einem Alleingang bundesweit afghanische Asylbewerber anziehen, warnte der Minister. Der Landtagsbeschluss sei kein Gesetz, sondern nur eine Willensbekundung, die für die Regierung nicht bindend sein könne. Die Entscheidung liege allein bei seiner Behörde, so der Minister. »Das Parlament ist der Souverän und Bouffier nur geschäftsführend im Amt«, heißt es demgegenüber in einer Erklärung der hessischen LINKEN.

Marjana Schott und der Hessische Flüchtlingsrat bezeichneten Bouffiers Verweis auf das VGH-Urteil als »irreführend«, zumal der VGH die Verantwortung für einen Abschiebestopp eindeutig an die Politik zurückverwiesen habe. Eine Abschiebung afghanischer Staatsbürger sei angesichts der Gefährdungslage »nicht völlig bedenkenfrei möglich«, so das Gericht.

Auch für Timmo Scherenberg vom Hessischen Flüchtlingsrat ist Afghanistan eines der unsichersten Länder der Erde mit einer katastrophalen humanitären Situation. Abgeschobene Flüchtlinge hätten es dort im Überlebenskampf noch weitaus schwerer als Einheimische. Landesweite Abschiebe-stopps seien auch in anderen Bundesländern durchaus eine übliche Praxis, betonte Scherenberg und verwies in diesem Zusammenhang auf die Aussetzung von Abschiebungen nach Togo durch das Land Mecklenburg-Vorpommern sowie Abschiebstopps anderer Länder etwa für Flüchtlinge aus Sri Lanka.

Empört über Bouffiers Haltung zeigte sich auch die Grünen-Abgeordnete Mürvet Öztürk, die keine juristischen Hindernisse sieht, die gegen einen Abschiebestopp sprächen. Die SPD, die nach Angaben ihres Landessprechers Frank Steibli bereits in der letzten Legislaturperiode einen Abschiebestopp für afghanische Staatsangehörige beantragt hatte, kritisierte Bouffiers Verweigerungshaltung als »parteipolitisch motiviert« und als offenen Widerspruch zum Lippenbekenntnis des amtierenden Regierungschef, er wolle »Partner des Parlaments« sein.

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