Ohne Schärpe und ohne Socken

Perus Expräsident Fujimori bleibt vielleicht für immer hinter Gittern

  • Rolf Schröder, Lima
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine Kaserne in Perus Hauptstadt

Lima ist derzeit Schauplatz des zweiten Prozesses gegen den ehemaligen Staatspräsidenten Alberto Fujimori. Er ist wegen Mordes, Folter und Entführung angeklagt. Seine Anhänger halten ihm jedoch weiter die Treue.

Vor Jahresfrist sorgte die Eliteeinheit DINOES der peruanischen Polizei noch für Schlagzeilen, als sie streikende Bergarbeiter in Schach hielt. Momentan sind eher ihre Wachdienste gefragt. Die Spezialtruppe hält in ihrem Hauptquartier in Lima einen prominenten Gast gefangen: den ehemaligen Präsidenten Alberto Fujimori, der im vergangenen Jahr von der chilenischen Justiz an Peru ausgeliefert worden war. Im zweiten von mindestens sechs Prozessen wird Fujimori in der Kaserne unter anderem angeklagt, für Morde, Folterungen und Entführungen eines paramilitärischen Kommandos namens »Colina« verantwortlich zu sein.

Die Polizeikaserne liegt in einem ebenso belebten wie heruntergekommenen Randbezirk der Hauptstadt. Wenige Schritte entfernt haben Parteifreunde des früheren Präsidenten ein Lokal gemietet. Auf einem orangefarbenen Transparent fordern sie »Freiheit für Fujimori«. Orange ist die Farbe ihrer Partei »Alianza por el Futuro« – »Allianz für die Zukunft«. Die AF verfügt im peruanischen Kongress über 13 von 120 Sitzen. Ihr Zugpferd ist Keiko Fujimori, die Tochter des Familienpatriarchen Alberto. Ihr werden sogar Chancen bei den Präsidentschaftswahlen 2011 eingeräumt, da ihr Vater in den Augen vieler Peruaner das Land aus einer Wirtschaftskrise geführt und vom Terrorismus des Leuchtenden Pfades befreit hat.

Dreimal pro Woche wird gegen Fujimori verhandelt. Dann bildet sich am Kasernentor eine Menschentraube. Journalisten, Parteifreunde, aber auch Angehörige der Opfer des Colina-Kommandos wollen den Prozess beobachten. Im Zuschauerraum, der durch eine dicke Glasscheibe vom Gerichtssaal getrennt ist, nehmen Anhänger und Gegner Fujimoris in möglichst großem Abstand voneinander Platz. Die erste Gruppe erhebt sich und klatscht, wenn ihr Idol den Saal betritt. Fujimori winkt in der Pose eines Staatsmannes zurück. Doch die unbarmherzigen Kameras richten sich an diesem Tag auf seine Füße: Der an einem Knöchelödem leidende Altpräsident kann keine Socken tragen.

Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass Fujimori und sein früherer Berater Vladimiro Montesinos Anfang der 90er Jahre planten, die maoistische Organisation Leuchtender Pfad in einem sogenannten Krieg niedriger Intensität zu bekämpfen. Ein solcher Krieg schließt Terrorkommandos, Mord, Folter oder Entführung ein. Der als Zeuge geladene Journalist Umberto Jara stellte dem Gericht Videoaufzeichnungen eines Interviews mit Martin Rivas, dem Anführer der Colina, zur Verfügung. Rivas, der inzwischen eine 20-jährige Haftstrafe absitzt, bestätigt darin, dass die Gründung der Gruppe Colina als Teil eines Kriegskonzepts gegen den Leuchtenden Pfad von Fujimori abgesegnet wurde. Die Gruppe Colina stürmte 1991 unter anderem ein Grillfest im Hauptstadtbezirk Barrios Altos und ermordete 15 Gäste. Ein Jahr später folterte und liquidierte sie neun Studenten und einen Professor der Universität »La Cantuta«.

Es sieht schlecht aus für den Mann, der jetzt ohne Präsidentenschärpe und Socken vor Gericht steht. Sein Ruf als starke Führungspersönlichkeit hat Kratzer erhalten, und es ist nicht mehr auszuschließen, dass der 69-Jährige den Rest seines Lebens hinter Gittern verbringt. Zu sechs Jahren wurde er wegen Vernichtung von Beweisen mittels Einbruchs und Diebstahls bereits im Dezember verurteilt. Im jetzigen Prozess fordert der Staatsanwalt 30 Jahre. Mindestens vier weitere Prozesse, in denen es vorwiegend um Korruption geht, stehen noch aus. Dazu soll sich Fujimori wegen der Hinrichtung von 41 Gefangenen des Leuchtenden Pfads ohne Gerichtsurteil verantworten.

Ob die Prozesse Fujimoris Ansehen in der Bevölkerung nachhaltig schädigen und die Wahlchancen seiner Tochter Keiko mindern, bleibt vorerst offen. Eine von Transparency International veröffentlichte Weltrangliste der korruptesten Regenten der letzten Jahrzehnte, in der Fujimori mit unrechtmäßig angeeigneten 600 Millionen US-Dollar den siebten Platz belegt, hat Keiko und ihrer AF jedenfalls kaum geschadet.

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