nd-aktuell.de / 21.04.2008 / Politik / Seite 5

Kreis entsorgt private Entsorger

Konferenz plädiert für Kommunalbetriebe und streitet über deren Gewinn

Hendrik Lasch, Leipzig
Kommunale Unternehmen sind kein Auslaufmodell mehr. Die wirtschaftliche Betätigung von Städten und Kreisen, so eine Konferenz in Leipzig, ist sinnvoll, wenn die Bürger die Betriebe als ihre eigenen begreifen können.

Die Ausschreibung war schon gelaufen. Vor einigen Jahren wollte der Landkreis Uckermark sich der Abfallentsorgung teilweise entledigen. Die Gebote, die aus ganz Europa eintrudelten, wirkten indes ernüchternd, sagt Gerhard Rohne von der »Uckermärkischen Dienstleistungsgesellschaft«: Weder sollte der Landkreis noch mitreden dürfen, noch beschieden sich die meist namhaften Firmen mit den 30 000 Tonnen Hausmüll, die in der dünn besiedelten Region anfallen. »Man verlangte 100 000 Tonnen«, sagt Rohne: »Die beschaffen und das Risiko tragen sollte aber der Kreis selbst.« Der freilich entsorgte im Gegenzug die privaten Entsorger: Den Abfall holt jetzt ein eigens gegründeter Kommunalbetrieb ab.

Bei Privatisierung sinken die Löhne
An dem brandenburgischen Landkreis könnten sich viele Städte und Gemeinden ein Beispiel nehmen, hieß es auf einer Konferenz über »(Re)Kommunalisierung statt Privatisierung«, die von der Europa- und der Stadtfraktion der LINKEN am Samstag in Leipzig veranstaltet wurde und bei der aus vielen Motiven heraus dafür plädiert wurde, grundlegende Versorgungsleistungen von den Kommunen erbringen zu lassen. Es gehe um »Bedarfsdeckung für jeden« unabhängig von dessen Einkommen, sagt die Europaabgeordnete Sahra Wagenknecht, aber auch um Arbeitsplätze: Mangels großer Firmen habe »die öffentliche Hand eine besondere Verantwortung für qualifizierte und tarifgesicherte Arbeitsplätze«, sagt Ines Jahn, die ver.di-Bezirkschefin. Sie erinnert daran, dass der per Bürgerentscheid verhinderte Teilverkauf der Leipziger Stadtwerke zwar Millionen für die Stadtkasse gebracht hätte, aber auch einen Lohnabbau von bis zu 40 Prozent.

Dass wirtschaftliche Betätigung von Kommunen Vorteile hat, wird in Deutschland wieder häufiger erkannt – auch wenn, wie Wagenknecht warnt, die »Grundauseinandersetzung« um die Frage von öffentlichem Eigentum oder Privatisierung in Europa weiter erbittert ausgefochten wird und der von der EU-Kommission propagierte absolute Zwang zur Wirtschaftlichkeit zusammen mit »konzernfreundlichen Urteilen« des europäischen Gerichtshofes für hohen Druck auf die Kommunen sorgt. Dort registriert man aber auch die negativen Folgen der umfangreichen Privatisierungen etwa in Großbritannien, wo Versorgungslücken entstanden und Investitionen ausbleiben. Um freilich Bürger und kommunale Politik von den Vorteilen eigener Unternehmen zu überzeugen, reichen Negativbeispiele nicht, warnt Günter Rausch von der Freiburger Initiative »Wohnen ist Menschenrecht«. Bürger müssten vielmehr »die Unternehmen als ihre eigenen begreifen« können: Diese müssten sich durch größere Transparenz, die Möglichkeit zu Mitbestimmung oder verträglichere Preise von privaten Anbietern unterscheiden.

Streit um niedrige Preise oder Gewinn
Gerade letztere Frage ist auch unter Linken umstritten. Betriebe wie die Stadtwerke Leipzig, die ihren Strom teuer verkaufen, vollführten einen »Spagat«, sagt Ilse Lauter, Chefin der linken Ratsfraktion. Das Unternehmen solle sozial verträgliche Preise gewährleisten, zugleich aber Gewinn erwirtschaften, um den Nahverkehr zu stützen und den Stadthaushalt aufzupäppeln: »Wir sitzen zwischen Baum und Borke.« Dagegen erklärt Wagenknecht, »kapitalistische Betriebe, die sich zwar in kommunaler Hand befinden, aber genauso gewinnorientiert sind« wie Private, seien »nicht das, was wir anstreben.« Lauter merkt indes an, auch kommunale Betriebe seien »immer noch Unternehmen« – mit dem gewichtigen Unterschied, dass ihre Gewinne den Bürgern und nicht den Aktionären zugutekommen.