Vielfältige Handschriften

Japanische Farbholzschnitte im Kunstforum

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 2 Min.

Einem Berliner Kunsthistoriker ist zu danken, was aus dem Kupferstichkabinett der Kunsthalle Bremen gegenwärtig an der Budapester Straße zu Bewunderung einlädt. Im Auftrag des damaligen Direktors jener Hansestädtischen Sammlung und finanziert von einem spendablen Mäzen bereiste Friedrich Perzynski anderthalb Jahre das Land Nippon, um dort Farbholzschnitte preisgünstig zu erwerben. Als er 1906 zurückkehrte, betrug seine Ausbeute weit über 400 Blätter sowie ein halbes Hundert illustrierter Bücher. Der Nachlass eines Bremer Sammlers ergänzte später den Bestand um weitere nahezu 400 Drucke und machte die Kollektion der Kunsthalle zu einer der weltweit renommiertesten. Unter dem Titel »Szenen aus dem alten Japan« zeigt das Kunstforum der Berliner Volksbank rund 100 der Exponate.

Die Grundlage für den Aufstieg des japanischen Farbholzschnitts legte Reichseiniger Fürst Tokugawa. Als mächtiger Shogun organisierte er nach 1600 das Land neu, verlegte den Regierungssitz vom alten Kyoto in das Fischerdorf Edo, das heutige Tokyo. In zügigem Bautempo entstand die Metropole. Japans Abschottung gegenüber Europa konzentrierte alle Energien besonders in Edo auf die eigene Sphäre, gebar eine Stadtkultur, an der neben Handwerkern und Kaufleuten auch Künstler Anteil hatten. Liebevoll spiegelten sie in ihren Blättern gut zwei Jahrhunderte lang altjapanisches Leben. Bilder einer sich stetig verändernden Welt nannten sie diesen Ausdruck bürgerlichen Selbstverständnisses. Hunderttausende solcher Darstellungen fertigten sie bis zum Ende der Edo-Zeit 1868, danach versiegte die Tradition. Japanische Künstler orientierten sich zunehmend an Europa, beeinflussten ihrerseits die europäische Moderne, Impressionisten wie Expressionisten.

Ungemein vielfältige künstlerische Handschriften birgt die Ausstellung. Tokugawas reisefreundlicher Ausbau der fast 500 Kilometer langen Küstenstraße zwischen Kyoto und Edo regte mehrere Künstler zur Darstellung an. Die 53 Stationen dieser Route mit ihren Herbergen, vorbei an Dörfern und durch wundersame Landschaften, wurden in Serien porträtiert und bieten detailgetreue Abbilder ländlichen Lebens vom Fischer bis zum Bauern, von der Teezeremonie bis zum Wannenbad. Auch das Kabuki-Theater mit seinen expressiven Schauspielstars, mächtige Sumo-Ringer, Tänzerinnen, Geishas, Kurtisanen, Liebeszenen weiten sich zu Zyklen aus. Fein ziseliert und mehrfarbig ornamentiert oder schlicht umrisshaft sind sie, brillant perspektivisch oder hintergrundlos flächig, ganz nach der Auffassung des Künstlers und dem Zeitgeschmack.

Große Namen tauchen auf, Hokusai, Sharaku, der auch in Europa populäre Utamaro. In Glückwunschblättern – halb Bild, halb Text – lassen sie ihrer Fantasie zum Skurrilen, Mythologischen hin freien Lauf mit fast jugendstilhaftem Schwung. Ein Begleitprogramm, auch für Kinder und Jugendliche, ergänzt die Schau.

Bis 25.5., täglich 10-18 Uhr, Kunstforum, Budapester Str. 35, Charlottenburg

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