nd-aktuell.de / 23.04.2008 / Politik / Seite 1

Überm »physischen Existenzminimum«

Klage gegen Zuzahlung bei ALG II abgewiesen

Die Regelleistung beim Arbeitslosengeld II von derzeit 347 Euro liegt nach Einschätzung des Bundessozialgerichts deutlich über dem verfassungsrechtlich geschützten »physischen Existenzminimum«.

Kassel (Agenturen/ND). Das Bundessozialgericht (BSG) urteilte am Dienstag in Kassel, dass auch Arbeitslose die Zuzahlungen für Medikamente und weitere Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlen müssen. Es wies damit die Klage eines Arbeitslosen gegen seinen Eigenanteil von monatlich 3,45 Euro ab.

Mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz wurden die Zuzahlungen in der gesetzlichen Krankenversicherung 2004 neu geregelt. Seitdem müssen auch Arbeitslose für Arztbesuche, Medikamente, Krankenhausaufenthalte und andere Leistungen einen Eigenanteil bezahlen. Dieser ist im Normalfall auf zwei, bei chronisch Kranken auf ein Prozent des Einkommens begrenzt. Im konkreten Fall setzte die Krankenkasse eines chronisch kranken Arbeitslosen die Zuzahlungsgrenze auf 41,40 Euro im Jahr fest. Beim Arbeitslosengeld (ALG) II wurde ihm dies zunächst vorgestreckt und in monatlichen Raten von 3,45 Euro verrechnet. Der Arbeitslose betrachtete dies als unzumutbar, weil ihm dann weniger als das Existenzminimum verbleibe. Sein Recht auf Menschenwürde und auf körperliche Unversehrtheit sei dadurch verletzt. Das BSG folgte dem nicht. Die Regelleistung beim ALG II gehe über das »zur physischen Existenz Unerlässliche« hinaus und beziehe auch einen »soziokulturellen Leistungsanteil« mit ein. Bei Leistungen über dem »physischen Existenzminimum« habe der Gesetzgeber aber einen weiten Gestaltungsspielraum. Auch insgesamt seien die Zuzahlungen rechtmäßig. Sie seien sachlich gerechtfertigt, um das Kostenbewusstsein der Versicherten zu schärfen.