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Eine Konferenz im Geiste Orwells

CDU und CSU präsentierten in Berlin ihre »Sicherheitsstrategie für Deutschland«

  • Jürgen Elsässer
  • Lesedauer: 2 Min.
Die Union will alle Hürden fallen lassen – für Einsätze der Bundeswehr im In- und Ausland. Das auf einer Sicherheitskonferenz am Mittwoch in Berlin beschlossene Konzept selbst erlegt sich keine Grenzen auf.

Das Machtzentrum in Deutschland hat sich an diesem Tag schon ein bisschen verschoben: Im Konferenzsaal der CDU/CSU-Bundestagsfraktion auf der dritten Ebene des Reichstags drängten sich mehrere hundert Pressevertreter um die Spitzen der Union, sogar ein zusätzlicher Saal musste geöffnet werden. Derweil gab es im Plenum des Bundestages – dort, wo die gewählten Volksvertreter sitzen – nur die üblichen halbleeren Sitzreihen. Auf Antrag der Grünen wurde in einer Aktuellen Stunde debattiert, was die Union im selben Gebäude als ihre Marschroute verkündete: eine neue »Sicherheitsstrategie für Deutschland«.

Das von Fraktionsvize Andreas Schockenhoff unter diesem Titel vorgestellte Papier wird vielleicht einmal an Universitäten als Lehrbeispiel diskutiert werden, wie sich in Zeiten der Bedrohung der Demokratie die Sprache der Macht verändert. Durchgehende Leitlinie der Überlegungen ist, dass »die bisherige Trennung von ... Kriegszustand und Friedenszeit nicht länger aufrechterhalten« werden kann. Das erinnert an einen zentralen Slogan der Big Brother-Partei in George Orwells Antiutopie »1984«: Krieg ist Frieden, und Frieden ist Krieg. Die »veränderte Bedrohungslage erfordert ein völlig neues Verständnis von Sicherheitspolitik.«

Verteidigungsminister Franz Josef Jung begründete: Die »strikte Trennung in innere und äußere Sicherheitsarchitektur« sei überholt, weil auch innere und äußere Bedrohung zusammen gedacht werden müssten. »Heimatschutz« – ein Zentralbegriff der neuen Strategie – bedeute, dass die Bedrohung »an der Quelle« bekämpft werde. Wenn die Bundeswehr dabei schießt und tötet, handelt es sich für Jung nicht um Krieg, sondern um »Einsätze hoher Intensität« – auch ein Begriff wie aus dem Orwellschen »Neusprech«. Solche Einsätze sieht er für Afghanistan und für den Balkan kommen.

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble warb für Militäreinsätze im Innern, das Abschießen entführter Flugzeuge und die Zentralisierung aller Machtkompetenzen in einem »Nationalen Sicherheitsrat«. Ein solches Gremium, kritisierte fast parallel im Hohen Haus FDP-Rechtsexperte Max Stadler, sei »überflüssig, verfassungspolitisch verfehlt und verfassungsrechtlich mehr als bedenklich.« Grünen-Fraktionschefin Renate Künast hielt der Union vor, einen »präventiven Sicherheitsstaat« einrichten zu wollen. Auch vom Koalitionspartner SPD und der LINKEN bekam die Union kräftig Kontra.

Doch Schäuble wird sich davon nicht beirren lassen. An die Adresse der Kritiker gewandt, sagte er: »Wer Tabus und Denkverbote aufstellt, darf sich nicht wundern, wenn hinterher in Grauzonen gehandelt wird.« Genau damit muss man bei ihm rechnen.

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