Schicht im Schacht

Nach dem 0:5 in Aue plant Jena für die 3. Liga, die Erzgebirgler hoffen noch

Eigentlich war es im Lößnitztal an diesem Dienstagnachmittag wie so oft in den vergangenen fünf Zweitligaspielzeiten. Die Sonne fiel schräg ins Erzgebirgsstadion, die Fans verteilten sich auf Treppen und Sitzen und dann sangen sie ihre Hymne: von den zwei gekreuzten Hämmern und dem großen W, das Lied von Wismut Aue, »unserer BSG«, die aus der Tiefe kommt. Aus dem Schacht. Danach liefen der besungene FC Erzgebirge und der FC Carl Zeiss Jena auf – zu den Klängen des Steigerliedes. Ein Glückauf für einen Abschied, das war allen 10 500 Besuchern klar. Nur, für wen würde es heute sicher abwärts gehen?

Zwei Stunden und fünf Tore später stand es fest. Nach dem 5:0 (2:0)-Heimsieg für Aue fährt Jena in die neue 3. Bundesliga ein. Die Erzgebirgler dürfen dank ihres kinderleicht herausgespielten Sieges durch Treffer von Fiete Sykora (16.), Tom Geißler (37.), Florian Heller (66.) und Jiri Kaufman (68./88.) zumindest noch auf ein Wunder hoffen – zumal die gewitzte Spielweise und die Torflut zumindest noch eine Portion Selbstvertrauen für die beiden letzten Spieltage gegeben haben dürfte.

»Naja, erst mal die zwei Spiele gewinnen. Dann können wir sehen, was noch drin ist«, meinte Aues Torschütze Florian Heller vor den abschließenden Spielen bei TuS Koblenz und daheim gegen 1860 München. »Große Illusionen sollte sich bei fünf Punkten Rückstand keiner machen.« Aues Präsident Uwe Leonhardt weiß denn auch genau, wie es in Liga drei laufen sollte mit dem FC Erzgebirge: »Den Etat von 9 auf 3,5 Millionen kürzen, sich konsolidieren, und dann weitersehen.« Er weigere sich, einen Abstieg als Untergang zu sehen. Niederlage ja, aber Katastrophe? Nein, nein: »Außerdem: Das Tor zu Liga zwei ist offen.«

Für Jena hingegen ist es aus mit all dem Hoffen. Als Trainer Henning Bürger sich von den Fans verabschiedet hatte, wunderte er sich kopfschüttelnd, dass er doch mit einem so sicheren Gefühl nach Aue gefahren sei. Nun fehlten ihm die Worte, um den miserablen Auftritt seiner Mannschaft zu umschreiben. »Katastrophe«, sagte er niedergeschlagen, »Offenbarungseid«, setzte Vereinschef Rainer Zipfel nach, während Abwehrspieler Michael Stegmayer letzte Besserung gelobte: »Nach so einem Grottenspiel müssen wir uns wenigstens anständig aus der Liga verabschieden.« Am Sonntag gegen Kaiserslautern könnte Jena sogar noch ein wenig Aufbauhilfe Ost leisten: Ein Zeiss-Sieg gegen Kaiserslautern käme den »Veilchen« aus Aue sicher gelegen.

Die Verantwortlichen des FC Carl Zeiss müssen sich derweil reichlich Fragen gefallen lassen. Wer geht außer Starstürmer Jan Simak (Stuttgart)? Wer bleibt außer den fünf Spielern, deren Verträge auch für Liga drei gelten? Und was ist an den Vorwürfen dran, Präsident Zipfel habe den Verein auf autokratische Weise fehlgeleitet? Dies hatte der scheidende Hauptsponsor Tobias Rameder unlängst in einem viel zitierten Interview bemängelt, zwar ohne dafür Indizien zu liefern, dafür aber in der auflagenstärksten Boulevardzeitung des Landes. Den Gegenwert für seine Sponsoringausgaben hat Rameder damit wirklich bis aufs Letzte eingefordert.

Am Dienstagabend versprach Präsident Zipfel, der wie sein Auer Kollege in dieser Saison drei Trainer verschliss, »alles in Ruhe auszuwerten«. Jenas Sportchef Carsten Linke nahm die beschämende Niederlage im Ostderby gleich als Gradmesser für kommende Aufgaben: »Die Mannschaft in der kommenden Saison wird mit Sicherheit so aussehen, dass wir so ein Spiel nicht mehr erleben müssen.«

Die Thüringer Fans, die ihre Spieler nach dem Spiel wütend beschimpften, werden es wohl vernehmen, während die Auer sich nichts dringlicher wünschen als noch mehr solche Matches: ein gut gefülltes Stadion, fünf Tore, zweite Liga – noch hat der Steiger das Licht nicht ausgemacht.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal