nd-aktuell.de / 08.05.2008 / Brandenburg / Seite 17

Stempeln gegen barbarischen Akt

Eine besondere Erinnerung an die Bücherverbrennung von 1933

Gesine Lötzsch ist stellv. Fraktionsvorsitzende der LINKEN im Deutschen Bundestag.
Gesine Lötzsch ist stellv. Fraktionsvorsitzende der LINKEN im Deutschen Bundestag.

ND: Warum werden Sie am Freitag gegen das Vergessen stempeln?
Lötzsch: Jedes Jahr gibt es um den 10. Mai viele Veranstaltungen, die an die Bücherverbrennung 1933 in vielen deutschen Städten erinnern. Helga Elias organisiert seit 15 Jahren die Lesung auf dem August-Bebel-Platz. Das nenne ich Beharrlichkeit! Trotzdem müssen wir noch mehr tun. Insbesondere Jugendliche sollen mehr über die Bücher erfahren, die 1933 den Flammen zum Opfer fielen. Das Stempeln (Faksimile ND) finde ich originell.

Wer ist der Initiator?
In meinem Bundestagsbüro haben wir überlegt, wie wir nicht nur um den 10. Mai, sondern das ganze Jahr an diesen barbarischen Nazi-Akt erinnern können. Da kam uns die Idee mit dem Stempel. Auf dem steht: »Bücher dieses Autors wurden 1933 von den Nazis verbrannt – dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen. Heinrich Heine.«

Beteiligen sich Jugendliche an der Aktion?
Wir sprachen die Leiterin der Anna-Seghers-Bibliothek in Lichtenberg, Frau Riedel, an, die sofort von der Idee begeistert war und sich bereit erklärte, ihre Bücher von Jugendlichen stempeln zu lassen. Ihre Azubis bekamen den Auftrag, die Autoren herauszusuchen, deren Bücher 1933 verbrannt wurden. Am 9. Mai werden wir sie dann gemeinsam stempeln. Jeder, der sich ein Buch von Brecht, Heine oder Seghers ausleiht und aufschlägt, wird an die furchtbare Bücherverbrennung erinnert, und er liest das Buch mit anderen Augen.

Wird die Aktion weitergeführt?
Wir wollen diese Idee weitertragen. Wir werden nach dem 10. Mai alle Berliner Bezirksbibliotheken anschreiben und fragen, ob sie sich an der Stempelaktion beteiligen wollen. Die, die mitmachen wollen, bekommen von uns einen Stempel geschenkt.

Wie kommt die Aktion an?
Camille, eine Austauschstudentin aus Frankreich, hat sich in den letzten Wochen mit französischen Autoren beschäftigt, deren Bücher verbrannt wurden. Sie hat sich bestimmt 15 Bücher aus der Bibliothek geliehen. Sie wird am 9. Mai auf dem August-Bebel-Platz einen französischen Text vorlesen. Ich habe gemerkt, wie Camille durch die intensive Beschäftigung mit dem Thema ein inniges Verhältnis zu ihren Autoren entwickelte. Wenn mehr Jugendliche den Stempel zum Anlass nehmen, sich intensiver mit Literatur zu beschäftigen, wäre das ein schöner Erfolg.

Fragen: Nissrine Messaoudi