Brückenweihe in Bhutan

Mit Hilfe eines kleinen deutschen Vereins entstand in Punakha technisches Meisterwerk

  • Hilmar König, Delhi
  • Lesedauer: 4 Min.
In Anwesenheit von Premier Jigmi Thinley und des Je Kempo, des höchsten buddhistischen Würdenträgers Bhutans, wurde die längste überdachte »Kragbrücke« der Welt im nordwestlichen Distrikt Punakha feierlich eingeweiht. Mit maßgeblicher finanzieller und technischer Unterstützung des Lörracher Vereins »ProBhutan« entstanden, verbindet sie die Siedlung Punakha und die bedeutende Klosterburg gleichen Namens miteinander.

Mit bunten Gebetsfahnen geschmückt präsentiert sich das technische Meisterwerk zur Eröffnung. Den Tag der Einweihung am 10. Mai haben Klosterastrologen aus der Konstellation der Gestirne als glückverheißendsten Tag für die Zeremonie abgelesen. Harald Nestroy, Geschäftsführer des kleinen, aber rührigen Vereins »ProBhutan«, spricht von einem Weltrekord, weil es sonst nirgendwo auf der Erde eine Kragbrücke mit dieser enormen Spannweite gibt.

Auch wenn der Rekord für die Bhutaner kaum eine Rolle spielt, war die Brückenweihe ein nationales Ereignis. Mit der Vollendung des Baus kann auch die Klosterburg Punakha ihrer herausragenden Rolle wieder voll gerecht werden. Bhutans Reichsgründer Shabdrung Nawang Namgyel hatte sie 1637 als seinen Stammsitz erbauen lassen. Sie ist Winterresidenz des Je Kempo. In ihr finden die Krönungen aller bhutanischen Könige statt – auch die noch für 2008 angekündigte Krönung des im November 2006 auf den Thron gekommenen jungen Herrschers Jigme Khesar Namgyal Wangchuck. Im Kloster hat außer den Mönchen und dem Abt auch die weltliche Macht, die Distriktverwaltung von Punakha, ihren Sitz. Doch der Zugang zu diesem Dzong, wie die Klosterburgen in Bhutan heißen, war seit 1968 nur über eine provisorische Stahlkabel-Hängebrücke möglich. Die nächste Brücke gab es 15 km flussabwärts.

1968 wälzte sich aus einem Himalaja-Gletschersee eine verheerende Flutwelle durch das Bett des Mo-Chhu-Flusses zu Tal. Eine gigantische Eiswand war in den See gestürzt, hatte zu einem Dammbruch und einer Sintflut geführt. Mit uriger Gewalt riss diese tausende Bäume, Tonnen von Gestein und Geröll, Äcker, Weideland, Wild und Behausungen mit sich. Im Tal von Punakha fiel der entfesselten Naturgewalt auch die mit Holzziegeln überdachte Klosterbrücke mit ihren beschnitzten Geländern zum Opfer. Da sie einen der Brückentürme wie ein Riesenspielzeug fortschwemmte, blieb von dem historischen Bau nur noch eine Art Symbol übrig – der Brückenturm auf der Dzongseite. Zudem hatten die Wassermassen den Mo Chhu bei Punakha um rund 20 auf 55 Meter verbreitert.

Über 30 Jahre nach der Katastrophe bat Bhutans Regierung den Verein in Lörrach um Unterstützung. Die Baden-Württemberger hatten in Punakha schon einen Namen, mit Spendenmitteln hatten sie ein Hospital und eine Ausbildungsstätte für medizinisch-technisches Personal bauen lassen. Nun sollten sie für einen neuen »Bazaam« (bhutanische Bezeichnung für überdachte Holz-Kragbrücke) nach historischem Vorbild sorgen. Ein schwieriges Unterfangen, nicht nur unter finanziellem Aspekt. Außer ein paar alten Fotos gab es keine technischen Unterlagen. »ProBhutan« gewann eine Schweizer Spezialfirma dafür, kostenlos die ingenieurtechnischen Planungen und Berechnungen zu übernehmen. 2004 machten sich bhutanische Holzfäller und Zimmerleute ans Werk. 165 Bäume einer Kiefernart mussten ausfindig gemacht werden, so 40 Meter hohe, aus denen 20 Balken von 25 Metern Länge geschnitten wurden. Über schmale Bergpfade musste das Holz mit abenteuerlichen Manövern nach Punakha transportiert werden, wo die Montage begann.

Nicht nur die Holzarbeiten waren zu meistern, auch gegen eine neuerliche Flut waren Fundamente und Brückentürme zu schützen, da dieser »Bazaam« in der Gefahrenzone von Gletscherseeausbrüchen liegt. So war ein Wehrsystem aus versenkten Betonrohren, riesigen Felsbrocken und ineinander verhakten Betonklötzen unabdingbar. 600 000 Euro kostete die Lörracher der »Kragbrücken-Weltrekord«, 55 000 Euro steuerte das deutsche Auswärtige Amt bei.

Für Premier Jigmi Thinley war die Brückenweihe der erste große Auftritt seit dem Amtsantritt. Am 24. März fanden in Bhutan erstmals Parlamentswahlen statt, mit denen der Übergang von der absoluten Monarchie zu einem demokratischen Mehrparteiensystem eingeleitet wurde.


Was ist eine Kragbrücke?

Bei der im Mittelalter viel verwendeten Kragtechnologie stecken Ausleger oder Träger, auf denen die Holzbalken ruhen, waagerecht in den Brückentürmen. Da die Punakha-Brücke möglichst dem 35 Meter langen Original aus dem 17. Jahrhundert entsprechen sollte, mussten die Bauleute die Kragtechnologie unter ganz anderen Bedingungen anwenden: Es waren nicht mehr die ursprünglichen 35, sondern 55 Meter zu überbrücken. Deshalb wurde der Einbau von (verkleideten) Stahlteilen zur Stabilisierung der jeweils 21 Meter aus den beiden Türmen ragenden Ausleger erforderlich.

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