Energiewende tröpfchenweise

Vattenfall schiebt Investitionen in Erneuerbare auf die lange Bank

  • Bernd Parusel, Stockholm
  • Lesedauer: 3 Min.
Vattenfall soll eigentlich Vorreiter beim Klimaschutz in Schweden sein. Doch der Staatskonzern investiert vor allem in Atomtechnologie und Kohlekraftwerke.

Die Titelseite des unlängst präsentierten Geschäftsberichts 2007 von Vattenfall AB zieren zwölf weiße Windräder des in diesem Frühjahr in Betrieb genommenen Windparks »Lillgrund« in einem hellblauen Meer. Dahinter sieht man die Öresundbrücke, die Südschweden mit Dänemark verbindet. »Kraft zu erneuern« lautet der Titel des Dokument. Insgesamt 48 Windräder hat Vattenfall im Öresund ins Meer gestellt. Sie sollen rund 60 000 Haushalte mit sauberem Strom versorgen.

Der Energiekonzern Vattenfall (schwed.: Wasserfall) hatte 2005 von der damaligen sozialdemokratischen Regierung den Auftrag bekommen, das »führende Unternehmen« bei der Umstellung auf eine umweltfreundliche Energieerzeugung in Schweden zu werden. Weil Vattenfall, mit einem Jahresumsatz von 15,4 Milliarden Euro und 32 000 Mitarbeitern der fünftgrößte Stromerzeuger in Europa, dem schwedischen Staat gehört, muss sich der Konzern an derartige Direktiven halten. Das »Lill- grund«-Projekt soll der Öffentlichkeit beweisen, dass die Unternehmensführung ernst macht.

Betrachtet man indes die Investitionen im vergangenen Jahr, ergibt sich ein anderes Bild. Rund 19 Milliarden Kronen (zwei Milliarden Euro) gab Vattenfall 2007 für neue Kraftwerke sowie die Modernisierung älterer Anlagen und der Stromnetze aus. In Windenergie flossen nur rund 107 Millionen Euro. Fossile Energieträger (ohne Atomkraft) bekamen mehr als vier Mal soviel. 300 Millionen steckte Vattenfall allein in deutsche Kohlekraftwerke. Das Tochterunternehmen Vattenfall Europe baut dort ein neues Braunkohlekraftwerk am Standort Boxberg (Oberlausitz) und ein Steinkohlekraftwerk in Hamburg-Moorburg. Rund 92 Prozent des Stroms, den Vattenfall in Deutschland produziert, kommt von fossilen Energieträgern.

In Schweden investierte Vattenfall vor allem in die Erneuerung der störanfälligen Atomkraftwerke Ringhals und Forsmark. Sie bekamen zusammen über 300 Millionen Euro. Windenergie ist angesichts dieser Vergleichszahlen noch immer ein Stiefkind der Konzernpolitik. Auch die Forschungsgelder gingen vor allem an Projekte zur Atomforschung.

Konzernchef Lars G. Josefsson macht vor allem »langwierige Genehmigungsprozesse« dafür verantwortlich, dass der Ausbau erneuerbarer Energien kaum vorankommt. Der Zeitung »Dagens Nyheter« sagte er, die Vorgaben der Regierung von 2005 seien deswegen nicht kurzfristig erfüllbar. Im Geschäftsbericht kündigte er jedoch Verbesserungen an. Bis 2030 will Vattenfall den Kohlendioxidausstoß seiner Kraftwerke im Vergleich zum Niveau von 1990 halbieren – etwa durch stärkeren Einsatz erneuerbarer Energiequellen, heißt es dort. So sollen in Zusammenarbeit mit Sveaskog, einem weiteren Staatsbetrieb, in den nächsten Jahren 550 Windkraftwerke in Schweden gebaut werden.

Kritiker meinen jedoch, dass 2030 zu weit in der Zukunft liegt und die Klimaschutzziele deswegen schwammig bleiben. Vattenfall komme seiner zugedachten Vorbildfunktion nicht nach, meinte etwa der grüne Reichstagsabgeordnete Per Bolund. Die Regierung in Stockholm lasse Vattenfall »Amok laufen«, die Konzernführung dürfe machen, was sie wolle. Bolund zufolge sollten die staatlichen Vorgaben zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes schnellstens präzisiert werden und nicht nur für Vattenfalls Investitionspolitik im eigenen Land gelten, sondern auch für die Tochterunternehmen in Deutschland und Polen. Auch der staatliche Rechnungshof in Schweden bemängelte letzten Dezember in einem Bericht, dass Vattenfall die staatlichen Zielvorgaben nicht »buchstäblich« auslege.

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