Wenn die Strafe auf dem Fuß folgt

Beschleunigte Verfahren bei Jugendlichen: Erster Erfahrungsaustausch

  • Andreas Heinz
  • Lesedauer: 2 Min.

Zerkratzte Scheiben in S- und U-Bahnen, Ladendiebstähle, Verkehrsstraftaten und einfache Körperverletzungen: Jugendliche, die bei solchen Delikten erwischt werden, warten oft so lange auf ein Urteil, dass sie sich überhaupt nicht mehr erinnern können, warum sie vor Gericht stehen. Im Neuköllner Rollbergviertel werden solche Taten seit Anfang dieses Jahres im Idealfall schon zwei Wochen später angeklagt. Am gestrigen Spätnachmittag traf man sich in der Senatsverwaltung für Justiz zu einem ersten Erfahrungsaustausch.

Das »Neuköllner Modell« soll auf das Gebiet der gesamten Polizeidirektion 5 ausgeweitet werden. Dabei geht es um beschleunigte Verfahren nach Straftaten von Jugendlichen. Die Direktion 5 ist zuständig für die Bezirke Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg.

»Senatorin Gisela von der Aue begrüßt die Ausweitung des Pilotprojekts«, hieß es gestern aus der Senatsjustizverwaltung. Den jugendlichen Tätern müsse klar sein, dass unmittelbar reagiert werde. Jugendrichter hätten nun die Möglichkeit, die Strafe auf dem Fuß folgen zu lassen. Die Initiative zu dem »Projekt Rollbergviertel« ging von den vier Jugendrichtern aus. Am gestrigen Runden Tisch trafen sich Polizeipräsident Dieter Glietsch, die Staatssekretäre Ulrich Freise (Inneres) und Hasso Lieber (Justiz), der Leitende Oberstaatsanwalt Andreas Behm, der Präsident des Amtsgerichts Tiergarten, Alois Wosnitzka, sowie Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) zu einer ersten Analyse. Im Kampf gegen die Jugendkriminalität hatte die Jugendrichterin Kirsten Heisig das Projekt der beschleunigten Ahndung als erste angeregt. Zur Zeit dauert es rund vier Monate von der Straftat bis zum Urteil.

Im Januar wurde das der Modellversuch zusammen mit Polizei und Staatsanwaltschaft gestartet. »Das vereinfachte Verfahren kann bei Sachverhalten ohne schwere Folgen und mit klarer Beweislage angewendet werden«, erläuterte der Pressesprecher der Justizverwaltung. Als unmittelbare Reaktion auf die Tat könnten die Jugendrichter Weisungen erteilen oder einen Arrest bis zu vier Wochen verhängen. Zu »vereinfachten Verfahren« zählt alles, was mit nicht mehr als vier Wochen Arrest bestraft wird.

»Es kommt natürlich immer auf den Fall an«, so der Justizpressesprecher. »Wenn jemand zum zehnten Mal zuschlägt, wird das mit Sicherheit härter bestraft, als wenn er das zum ersten Mal tut.« Eine einmalige Ohrfeige aber zähle zur einfachen Körperverletzung. Ähnlich verhalte es sich im Straßenverkehr. Wichtig sei eben, dass die Bestrafung schnell erfolge.

Ob diese beschleunigten Verfahren auf sämtliche Bezirke ausgedehnt werden, soll nach einem halben Jahr Erfahrung in der gesamten Polizeidirektion 5 entschieden werden.

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