nd-aktuell.de / 15.05.2008 / Politik / Seite 5

Arbeitspflicht für Erwerbslose

ALG II-Empfänger sollen »Bürgerarbeit« verrichten

Fabian Lambeck
Die bayrischen Landtagswahlen werfen bereits ihre Schatten voraus. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) versucht, mit einem fragwürdigen Beschäftigungskonzept Stimmung gegen Langzeitarbeitslose zu machen. Dabei fällt Beschäftigungspolitik gar nicht in sein Ressort.

Am Dienstag stellte man im Bundeswirtschaftsministerium das Modell »Bürgerarbeit« der Presse vor. Anlass war die Veröffentlichung eines Gutachtens des privaten Institutes zur Zukunft der Arbeit (IZA), das angeblich die Tragfähigkeit des Beschäftigungskonzeptes unterlegt.

Hinter dem harmlosen Begriff »Bürgerarbeit« verbirgt sich allerdings politischer Sprengstoff. Denn diese auch Workfare genannte »Aktivierungsstrategie« sieht vor, dass jeder erwerbsfähige Empfänger von Arbeitslosengeld II grundsätzlich 39 Stunden pro Woche arbeiten muss.

»Glaubwürdige Androhungen«
Die Grundsicherung soll also an eine Gegenleistung gekoppelt werden. Dies reize zur Aufnahme eines regulären Jobs, so die Autoren des Gutachtens, weil die dabei erzielten Löhne höchstens bis zum ALG II-Niveau aufgestockt werden. Hinter dem Konzept steht die Vermutung, dass viele Arbeitslose gar nicht gewillt seien, eine Anstellung zu finden. Die »Bürgerarbeit« motiviere Arbeitslose zum Handeln, so der IZA-Ökonom Hilmar Schneider. »Wenn sie sowieso für eine Grundsicherung arbeiten müssen, lohnt sich der Aufwand, einen Job zu suchen«. Diese »Bürgerarbeit« soll Bedürftige auch in schlecht bezahlte Arbeitsverhältnisse pressen. In der Studie heißt es wörtlich: »Die Androhung von Workfare-Jobs führt jedoch dazu, dass die Akzeptanz von gering entlohnten Jobs im regulären Arbeitsmarkt steigt«.

Und so ist in dem Gutachten von »glaubwürdigen Androhungen« die Rede. Die Erwerbslosen sollen außerdem »mit frühzeitigem Profiling konfrontiert« werden. Diese fragwürdigen Methoden sollen laut Wirtschaftsministerium »für die zwei Millionen Arbeitslosengeld II-Empfänger neue Jobchancen eröffnen«. Da die Bundesagentur für Arbeit aber nicht einmal eine Million freier Stellenangebote vorweisen kann, hilft man sich mit einem Trick. Durch das Konzept soll ein »Beschäftigungseffekt von bis zu 1,4 Millionen Arbeitsplätzen« erzielt werden, behauptet das Bundeswirtschaftsministerium, auch weil ein Teil der Schwarzarbeit aus der Schattenwirtschaft geholt werden könne. Kritiker befürchten hingegen Verdrängungseffekte auf dem regulären Arbeitsmarkt durch die »Bürgerarbeiter«.

Zumal das IZA schätzt, dass etwa 485 000 Stellen zusätzlich benötigt werden. Beim Anlauf der Workfare-Maßnahmen rechnen die Experten sogar mit einem noch größeren Bedarf an Arbeitsplätzen. Trotzdem hofft man, dadurch die öffentlichen Haushalte um bis zu 25 Milliarden Euro zu entlasten.

Mindestlöhne sind Hindernis
Die Autoren des IZA-Gutachtens sprechen sich auch gegen die Einführung von Mindestlöhnen aus. In dem 94-seitigen Papier plädieren die Ökonomen für »eine weitgehende Öffnung des regulären Arbeitsmarktes durch die Vermeidung von Einstiegsbarrieren wie verbindlichen Mindestlöhnen«. Der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Walther Otremba, meinte, dass Vollbeschäftigung nur erreichbar sei, wenn die zwei Millionen ALG II-Empfänger eine Arbeitsmöglichkeit fänden. Im Klartext heißt das: entweder Mindestlöhne oder Vollbeschäftigung. Damit geht man auch auf Konfrontationskurs zur SPD, die bislang noch nicht auf den Vorstoß von Glos reagierte.

Scharfe Kritik an den Plänen des Wirtschaftsministers kam hingegen von der LINKEN. Deren stellvertretender Fraktionsvorsitzender, Klaus Ernst, sagte: »Wer die Grundsicherung an Gegenleistungen koppeln will, spielt mit der Unantastbarkeit der Menschenwürde«. Pikantes Detail am Rande: Der Präsident des IZA heißt nach wie vor Klaus Zumwinkel. Bislang fand sich für den ehemaligen Postchef und überführten Steuerhinterzieher anscheinend kein Ersatz.