nd-aktuell.de / 15.05.2008 / Politik / Seite 4

Ostforschung findet im Westen statt

Bund will mehr fördern

Fabian Lambeck

Mit einem millionenschweren Programm will Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) die Spitzenforschung an ostdeutschen Universitäten fördern. Die Ministerin verständigte sich mit ihren Länderkollegen auf die gezielte Förderung von sechs universitären Pilotprojekten mit insgesamt 45 Millionen Euro. Auch ein Trost für die Tatsache, dass die Universitäten in den neuen Bundesländern bei der Exzellenzinitiative zur »Förderung wissenschaftlicher Spitzenforschung« weitgehend leer ausgingen. Nun beabsichtige man, so Schavan, »regionale Innovationssysteme« zu fördern. Unter den ausgewählten Universitäten befinden sich beispielsweise Greifswald, Magdeburg und Cottbus.

Bislang verließ sich das Bundesforschungsministerium bei der Beurteilung ostdeutscher Potenziale überwiegend auf westdeutsche Forschungsinstitute. Dies ergab die Antwort des Ministeriums auf eine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Roland Claus (LINKE). Die staatlich geförderte Auftragsforschung befasst sich beispielsweise mit »Strategien zur Stärkung des Tourismus in den neuen Bundesländern« oder der »Stärkung des Forschungsstandortes Ostdeutschland durch steuerliche Anreize«.

Wer sich mit letztgenannter Studie beschäftigt, wird feststellen, dass die Münsteraner Gesellschaft für Finanz- und Regionalanalysen (GEFRA) mit dem Projekt beauftragt wurde. Westdeutsche Forschungsinstitute profitieren von staatlichen Geldern, um Studien über Ostdeutschland zu erstellen – durchaus keine Ausnahme. Das Bundesforschungsministerium musste zugeben, dass nicht einmal die Hälfte dieser Aufträge an ostdeutsche Institute vergeben wurde. Von den 81 Aufträgen, die sich »ausschließlich bzw. überwiegend mit den Neuen Ländern« beschäftigen, wurden nur 34 Vorhaben nach Ostdeutschland vergeben.

Noch frappierender ist die ungleiche Aufteilung der Finanzmittel. Rund 42 Prozent der Forschungsaufträge werden im Osten bearbeitet, allerdings erhalten die ostdeutschen Wissenschaftler dafür nur 31 Prozent des Gesamtetats. Roland Claus, der auch Ost-Koordinator der LINKEN im Bundestag ist, meinte angesichts dieser Zahlen: »Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich die Aufbau-Ost-Forschung als Geschenk an den Westen. Die Deutungshoheit über Ostdeutschland liegt damit vor allem bei den Westdeutschen.«