nd-aktuell.de / 15.05.2008 / Politik / Seite 2

Die Gentech-Lobby sitzt mit am Tisch

Studie belegt Beeinflussung von Behörden

Mona Grosche
In deutschen Behörden, die für die Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen zuständig sind, pflegen Entscheider oft engste Verbindungen zur Gentechnik-Lobby. Dies ist das Ergebnis einer aktuellen Studie, die am Mittwoch in Bonn vorgestellt wurde.

»Es kann hier wirklich von einem Sicherheitsrisiko gesprochen werden«, bringt Ulrike Höfken, Sprecherin für Ernährungsfragen und Verbraucherschutz in der Grünen-Bundestagsfraktion, das Ergebnis der Studie auf den Punkt. Die darin genannten Beispiele zeigen ihrer Ansicht nach deutlich, dass es in Sachen Zulassung von Gentechnik keine eindeutige Unterscheidung zwischen Kontrollierten und Kontrolleuren mehr gebe.

»Wir haben hier zum ersten Mal aufgezeigt, wie das System gegenseitiger Einflussnahme funktioniert«, so Christoph Then, einer der beiden Autoren der Studie. Die Verflechtungen zwischen Politik und Industrie aufzudecken sei schwierig, denn Gentechnik-Multis wie Bayer und BASF seien selbst nicht in dem Geklüngel tätig. Dafür säßen Vertreter von »Spezialagenturen« als deren Dienstleister in Arbeitskreisen und »unabhängigen« Wissenschaftlerverbänden mit den Vertretern der Politik an einem Tisch.

»Gemeinsame Gespräche von Wirtschaft und Politik sind natürlich nicht verwerflich, sondern an der Tagesordnung«, betonte Höfken. Doch wenn etwa ein Entscheider im Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) gleichzeitig Mitglied der »Public Research and Regulation Initiative« sei, die auch von Gentech-Befürwortern in den USA und Kanada sowie dem internationalen Gentechnik-Industrieverband Croplife International finanziert werde, dann hat das nach Ansicht von Co-Autorin Antje Lorch mehr als nur einen leichten Beigeschmack.

Dies ist kein Einzelfall, wie die Autoren versichern. Auch Mitarbeiter des Julius-Kühn-Instituts (früher Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft) und des Bundesagrarministeriums pflegen engste Verbindungen zur Gentech-Industrie. »Und das sind nur die Ergebnisse aus öffentlich zugänglichen Informationen«, betonte Lorch. Selbst Parlamentarierin Höfken zeigte sich vom Resultat der Studie überrascht: »Ich habe nicht gewusst, welche Vernetzungen in den einzelnen Bundesbehörden mit Lobbyorganisationen und mit Wirtschaftsvertretern bestehen.«

Für die Grünen-Politikerin zeigt insbesondere die Zulassung der Genmaissorte MON810 von Monsanto, wie die Industrie ihre Interessen durchgesetzt habe: MON810 bekam vom BVL seinen Segen, obwohl das von der EU geforderte Monitoring zunächst ganz fehlte und dann unzureichend umgesetzt wurde. Kein Wunder, saßen doch Mitarbeiter der Behörde mit Lobbyisten an einem Tisch, um die Bedingungen für die Freisetzung festzulegen. Da lasse es wenig Gutes erwarten, wenn Bundesminister Horst Seehofer angesichts der gestiegenen Nahrungsmittelpreise laut darüber nachdenkt, gentechnische Verunreinigungen in Futter- und Lebensmitteln zu tolerieren.


NABU-Vorschläge

Kurz vor Beginn der neunten UN-Konferenz zur Biodiversität in Bonn hat der Naturschutzbund (NABU) einen umfangreichen Aktionsplan zum Erhalt der Artenvielfalt in Deutschland vorgelegt. Analog zum Klimaschutz müsse die Bundesregierung ein »Integriertes Programm zur Entwicklung der Biodiversität« verabschieden, das alle Ressorts zur Überprüfung ihrer Politik verpflichte, sagte NABU-Präsident Olaf Tschimpke bei der Vorstellung des Plans. Unbewirtschaftete Wälder müssten auf zehn Prozent der Waldflächen eingerichtet werden. Daneben fordert der NABU die Schaffung von ökologischen Rückzugsräumen in der Landwirtschaft. Brachen, Hecken und Tümpel seien wichtige »Lebensadern« in Wiesen und Feldern für bedrohte Arten wie Feldhase, Kiebitz und Rebhuhn.

»Wir müssen in Deutschland wieder mehr Wildnis wagen. Zu diesem Zweck sollten großflächige Naturentwicklungsgebiete eingerichtet werden, in denen der Ablauf natürlicher Prozesse oberste Priorität hat«, sagte Hermann Hötker, Leiter des Michael-Otto-Instituts im NABU. Vor dem Hintergrund des Klimawandels müssten zudem verstärkt Synergieeffekte zwischen Klimaschutz und Naturschutz genutzt werden, zum Beispiel durch die Erhaltung und Renaturierung von Mooren als wichtige Kohlenstoffspeicher.

Zudem sollte ein »Bundesprogramm Biologische Vielfalt« aufgelegt werden, mit dem vorbildliche Projekte zur Umsetzung von Naturschutzzielen sowie von Naturerlebnis und Bildung in Städten und Gemeinden, Verbänden sowie an Schulen und Hochschulen unterstützt würden. ND