nd-aktuell.de / 16.05.2008 / Politik / Seite 6

Bush irritiert Israels Falken

US-Präsident soll Olmert zu Dialog mit Hamas aufgefordert haben

Oliver Eberhardt, Jerusalem
Militante Palästinenser haben am Mittwoch vom Gazastreifen aus eine Rakete auf die israelische Großstadt Aschkelon abgefeuert; rund 20 Menschen wurden verletzt. Der Einschlag überschattet nun den Israel-Besuch von US-Präsident George W. Bush.

Dass die Grad-Rakete am Mittwoch nachmittag ausgerechnet in einem Einkaufszentrum einschlug war Zufall, aber dennoch absehbar: Aschkelon ist eine dicht besiedelte Großstadt rund 30 Kilometer nördlich des Gazastreifen; wenn hierhin eine Rakete abgeschossen wird, dann sind Tote und Verletzte einigermaßen sicher. Und so ist es als Signal zu werten, dass das Volkswiderstandskomitee, ein rudimentärer Zusammenschluss von mehreren militanten palästinensischen Gruppen im Gazastreifen, ausgerechnet den Mittwochnachmittag wählte, um Aschkelon ins Fadenkreuz zu nehmen: Denn gerade war US-Präsident George W. Bush in Israel angekommen, und die palästinensischen Gruppen nutzten dies, um sich ihm in Erinnerung zu rufen. Ihre Nachricht: »Israel und die Amerikaner können uns angreifen, aber sie werden uns nicht besiegen«, sagte ein Sprecher der Hamas nach dem Einschlag.

Israel müsse seine Blockade des Gazastreifen aufgeben und sich auf einen Waffenstillstand mit der Hamas und einem umfassenden Gefangenenaustausch einlassen: »Sonst wird es eine Welle der Gewalt geben, die Israel bisher noch nicht erlebt hat.«

Doch auf der israelischen Seite gibt man sich unnachgiebig. Man befürchte, dass die Hamas einen Waffenstillstand dazu nutzen werde, ihre Waffenlager aufzufüllen und ihre Reihen zu schließen, erklärt ein Sprecher von Premierminister Ehud Olmert: »Die israelische Armee hat gegen die Hamas in den vergangenen Monaten bedeutende Erfolge erzielt, die durch einen Waffenstillstand zunichte gemacht würden. Wir werden in der Zukunft sehr viel härter zuschlagen, wenn die Raketenangriffe nicht umgehend aufhören.“

US-Präsident Bush reagierte derweil, indem er am Rande eines Treffen mit dem israelischen Präsidenten Shimon Peres erklärte, Israel sei die einzige wahre Demokratie im Nahen Osten und habe das Recht, sich zu verteidigen; Israel und die USA seien »im Kampf gegen den Terror vereint«, bevor er dann am Donnerstag das Einkaufszentrum besuchte, in dem die Rakete eingeschlagen war.

Aber die Wohlfühlatmosphäre trügt: Hinter den Kulissen gibt es Risse. Während die Öffentlichkeit in Israel zwischen der Forderung nach einem härteren militärischen Vorgehen und Verhandlungen mit der Hamas geteilt ist, und Regierungschef Ehud Olmert auf eine Politik der harten Hand baut, bahnt sich in Washington ein Politikwechsel an: Das dortige Außenministerium fordert zunehmend, Bush solle Israel dazu drängen, sich mit der Hamas an einen Tisch zu setzen, und im Prozess der politischen Willensbildung hat das State Department nach dem militärischen Debakel in den USA im Moment die Oberhand.

So sorgte Bush am Donnerstag bereits für ersten Unmut hinter den Kulissen, als er, nach Aussagen von Mitarbeitern Olmerts, in einem Treffen hinter verschlossenen Türen forderte, Israel solle im Umgang mit der Hamas »alle Optionen prüfen« – eine Aussage, die in Jerusalem, wo man sich bislang über die uneingeschränkte Israel-Freundlichkeit Bushs freute, als Abkehr des alten Freundes interpretiert wurde.

Und dennoch: Vor allem im israelischen Außenministerium ist das Signal der Palästinenser angekommen; dort drängt man, ebenso wie die Kollegen in Washington, auf einen Kurswechsel. Man müsse die Hamas einbinden, statt isolieren, mit ihr sprechen; danach könne man immer noch militärisch gegen sie vorgehen, sagen israelische Diplomaten.