nd-aktuell.de / 16.05.2008 / Politik / Seite 4

Funkspruch an Sonja 101

Ehrung von Ruth Werner in Berlin und Carwitz

Rudolf Hempel
Funkspruch an Sonja 101

Gestern trafen sich auf dem Friedhof Berlin-Baumschulenweg Menschen, deren Sympathie für Ursula Beurton, geborene Kuczynski, bekannt als Ruth Werner, weit über das zu DDR-Zeiten in hoher Auflage und in Ländern wie der Sowjetunion, China und England erschienene Buch »Sonjas Rapport« hinaus geht. »Wir gedenken an ihrem 101. Geburtstag einer standhaften jüdischen Kommunistin, mutigen Antifaschistin, verschwiegenen Kundschafterin, der brillanten Schriftstellerin. Wir würdigen einen aufrichtigen und bescheidenen Menschen, eine konsequente Linke.« So Hans Erxleben vom Vorstand der Linksfraktion in der Berliner Bezirksverordnetenversammlung Treptow-Köpenick am Grab jener im Jahr 2000 verstorbenen Frau, in deren Lebensweg auch als Kundschafterin des Sowjetischen Militärischen Geheimdienstes sich Geschichte mit ihren Segnungen und Brüchen exemplarisch widerspiegelt.

Unter den Zuhörern auf dem Friedhof »Abordnungen« der LINKEN, der DKP, des Bundes der Antifaschisten, der KPD – Kollegen, Freunde, Nachbarn und Sympathisanten. Sie standen an der Seite von Tochter Janina Blankenfeld und Sohn Michael Hamburger. Der wies in sehr persönlichen Worten darauf hin, dass das internationale Interesse am Schicksal seiner Mutter weiter anhält und würdigte mit Hochachtung das Engagement aller, die das Andenken an eine Frau dieses Formats bewahren würden.

Nicht von ungefähr. In einer bezeichnenden wie beschämenden Auseinandersetzung hatte vor dem »Hundertsten« der Schriftstellerin im April 2007 letztendlich der von historischer Unbedarftheit, Opportunismus, Demagogie, Geschichtsrevisionismus und Diffamierung geprägte Zeitgeist dominiert. Der Antrag der Linken zur Umbenennung einer Straße im Stadtbezirk Treptow/Köpenick, in dem die Schriftstellerin über 50 Jahre wohnte, in »Ruth-Werner-Promenade« scheiterte. Dass das Bürgerkomitee Plänterwald es dabei nicht bewenden lassen will, zeigte es unter anderem mit der Organisation des gestrigen Gedenkens.

Am Sonnabend ehren zudem in Carwitz linke Kräfte der Region, Fallada-Gedenkstätte, Ortsrat Feldberg und Sohn Peter Beurton mit einer Tafel das Andenken an Ruth Werner. Der literarische »grüne Ort« im Mecklenburgischen war für die »Sonja-Familie« Jahrzehnte eine Sommerfrische aus Rückkehr, Erholung und Aufbruch.