nd-aktuell.de / 28.05.2008 / Ratgeber / Seite 2

Infarktsymptome verkannt

Schmerzensgeld

Im Frühjahr 1996 wurde der Notarzt morgens zu einem damals 34-jährigen Patienten gerufen, der an Durchfall, Schwindel und Übelkeit litt. Die Ehefrau des Mannes wies den Arzt darauf hin, dass es in der Familie schon einige Herzinfarkte gegeben habe. Sein Blutdruck lag bei 200/130. Während der Untersuchung musste sich der Patient mehrfach übergeben. Der Notarzt diagnostizierte einen grippalen Infekt mit Durchfall und spritzte ein Schmerzmittel. Er fragte den Mann, ob er »ins Krankenhaus gehen wolle« – was dieser verneinte – und verabschiedete sich.

Drei Stunden später fand die Ehefrau den Mann leblos auf dem Boden und rief wieder einen (anderen) Notarzt herbei. Atem- und Kreislaufstillstand stellte der Mediziner fest und begann sofort mit Wiederbelebungsmaßnahmen. Trotzdem blieb ein Hirnschaden. In der Klinik diagnostizierten die Ärzte einen akuten Herzinfarkt. Daraufhin zahlte die Haftpflichtversicherung des ersten Notarztes dem Patienten 60 000 DM, der allerdings weitere 120 000 Euro Schmerzensgeld und Schadenersatz für den Verdienstausfall forderte.

Das Oberlandesgericht (OLG) wies die Klage ab, doch der Bundesgerichtshof hob das Urteil auf und verwies die Sache zurück (VI ZR 229/06).

Das OLG habe sich auf medizinische Gutachten verlassen, welche einen Behandlungsfehler des Notarztes verneinten. Dabei hätten die Gutachter die Symptome des Patienten ungenügend berücksichtigt, beanstandeten die Bundesrichter. Der Mann sei am fraglichen Morgen schweißgebadet gewesen, habe unter Schwindel gelitten und kaum Luft bekommen. Darüber hinaus habe er über starke Schmerzen in Brust und Nacken geklagt. Diese Symptome seien typisch für einen Herzinfarkt. Werde ein Arzt (im Rahmen des Bereitschaftsdienstes) zu einem Patienten mit solchen Beschwerden gerufen, sei er verpflichtet, den Patienten ins Krankenhaus einzuweisen, um abzuklären, ob ein Infarkt vorliegt. Dies zu unterlassen, sei ein schwerer Behandlungsfehler.