nd-aktuell.de / 06.06.2008 / Kultur / Seite 11

Im offenen Haus am Meer

Ahrenshooper Begegnungen. Wolfgang Schreyer und seine Gäste

Walter Kaufmann

Allein der Gäste wegen, die Wolfgang Schreyer im Laufe von fünfzig Jahren unter seinem Ahrenshooper Dach begrüßen konnte, wird sein Buch eine beträchtliche Leserschar gewinnen, aber auch, weil Neues über den Autor zu erfahren ist, dessen Autobiografie etliche Jahre zurückliegt. Wieder wird ihnen ein sympathischer, empfindsamer, toleranter Chronist begegnen, der sich beim Vorstellen anderer zurückzunehmen weiß, ohne seinen Standpunkt zu verleugnen.

Stilistisch, wie könnte es anders sein, folgt »Ahrenshooper Begegnungen« jenem autobiografischen »Zweiten Mann«. Es liest sich ebenso flüssig, von der frühen Begegnung mit Brigitte Reimann bis hin zu der mit dem Schriftsteller vom Rhein, Dieter Wellershoff. Ich kannte Reiner Kunze nicht, durch Wolfgang Schreyer wird er mir nah gebracht, was auch für Erich Loest und Peter Bender gilt, dem Autor von »Weltmacht Amerika – das Neue Rom«. Und, das zu bemerken, sei mir erlaubt, auch über den Verfasser dieser Zeilen schreibt Schreyer auf eine Weise, in der er erkennbar wird.

Schreyer anerkennt die Lebensleistung eines Ralph Giordano weiterhin unvermindert an, auch wenn er sich mit ihm wegen dessen Haltung zum Irakkrieg entzweit hat. Und was erfährt der Leser nicht alles über das Schreiben! Durch die Gegenüberstellung von seiner eigenen Art und die des Peter O. Chotjewitz bekommt der Leser Einblick in die Vielfalt schrifttellerischen Tätigseins. Während der eine freimütig bekennt, »fesselnd schreiben zu wollen, um gemocht zu werden und etwas von der Wirkung zu spüren«, behauptet der andere, stoisch in sich ruhend, dass es ihm nicht darum gehe, »Geld zu verdienen oder berühmt zu werden«. Womit Schreyer auf Anna Seghers' Worte über bedeutsame Wahrheiten plus Faszination hinweist – und so die eigene Haltung noch einmal unterstreicht.

Nicht unbeeindruckt wird der Leser vom Einsatzwillen Schreyers nach der Wende sein. Er entschloss sich, sein Buch »Legende« zu den Hintergründen der Attentate des 11. September im Selbstverlag herauszugeben, und findet Anerkennung, wenngleich erst im kleineren Kreis, was aber schließlich den Berliner Eulenspiegel Verlag dazu ermutigt, es zu übernehmen – mit dem Resultat, dass sich das Buch durchsetzte und zum Bestseller wurde. Wie viele Ostautoren, fragt man sich, hätten Ähnliches gewagt, und wie viele von ihnen blieben nicht zuletzt auch deswegen auf der Strecke, weil ihnen Beherzigungen wie »Wer zögert, hat verloren« allzu fremd war oder ist.

Auch Wolfgang Schreyer wird im Leben oft genug gezögert haben – im entscheidenden Augenblick jedoch nicht. Was auch die unverstellte Darstellung seiner zwei Ehen beweist, die so nur aus einer gewissen Alterssouveränität heraus gelingen konnte und die das Buch, wie anderes mehr, auf sehr eigene Weise bereichert.

Wolfgang Schreyer: Ahrenshooper Begegnungen. Ein Haus am Meer und seine Gäste. BS-Verlag, Rostock. 189 S., br., 9,90 EUR.