Entdemokratisierung der Agrarpolitik

FIAN-Experte Armin Paasch: Konzernlobby war beim Welternährungsgipfel stärker denn je

  • Lesedauer: 3 Min.
Der am Donnerstag zu Ende gegangene Welternährungsgipfel in Rom hat für die Hungernden nichts gebracht, sagt Agrarexperte Achim Paasch, der für die Menschenrechtsorganisation FIAN Deutschland als Beobachter vor Ort war. In der UN werden technische Lösungen diskutiert, die nur den Agrokonzernen zugute kommen würden.
Entdemokratisierung der Agrarpolitik

ND: Die letzten UN-Gipfel, die sich mit zentralen Menschheitsfragen beschäftigt haben, endeten mit Floskeln und der Ankündigung, später über konkrete Maßnahmen zu entscheiden. War dies beim Welternährungsgipfel ähnlich?
Paasch: Leider ja. Man muss festhalten, dass sich sehr wenig Konkretes in der Abschlusserklärung findet und wegweisende Entscheidungen fehlen. Der einzige konkrete Beschluss lautet: Die UN-Landwirtschaftsorganisation FAO wird künftig in der UN-Task-Force zur Welthungerkrise mitarbeiten.

Thema des UN-Gipfels war die Frage, inwieweit die Agrospritproduktion und der Klimawandel zur Ernährungskrise beigetragen haben. Forderungen aus Entwicklungsländern, die Agrospritproduktion deutlich zurückzufahren, blieben aber ungehört.
In der Abschlusserklärung gibt es lediglich eine Einladung zum Dialog. Dieses Thema ist völlig an den Rand gedrängt worden, und zwar von den Regierungen, die ein Interesse an der Argrotreibstoffproduktion haben. Vor allem die USA, die EU und Brasilien haben blockiert, dass hier Lösungen ernsthaft diskutiert wurden. Und auch zum Thema Klimawandel gibt es letztendlich nicht mehr als einige allgemeine Floskeln.

Und was ist von dem »Globalen Aktionsrahmen« zu halten, den UN-Generalsekretär Ban Ki Moon auf der Konferenz vorgelegt hat?
Darin finden sich einige positive Ansätze – beispielsweise die Stärkung der sozialen Sicherheit und die Unterstützung von armen Konsumenten, die sich angesichts der stark gestiegenen Preise die Nahrung nicht mehr leisten können. Allerdings weisen die langfristigen Maßnahmen zur Bekämpfung des Hungers unserer Ansicht nach in die völlig falsche Richtung. So sollen die Entwicklungsländer ihre Märkte für Nahrungsmittelimporte noch weiter öffnen. Und diese Einfuhren sollen sogar subventioniert werden, auch mit Entwicklungshilfegeldern. Dies wäre eine nie dagewesene Dimension der Importförderung. Und schließlich sollen Getreidespeicher, also quasi die Grundnahrungsmittelvorräte, aus Effizienzgründen noch stärker privatisiert werden. Dies wäre letztendlich eine stärkere Dosis der Medizin, die zu dieser Hungerkrise geführt hat.

Damit würden die falschen Agrarstrukturen gestärkt ...
Es wird zwar gesagt, dass die kleinbäuerliche Landwirtschaft gestärkt werden soll, was wir begrüßen würden. Allerdings kann man aus den Papieren herauslesen, dass vor allem technologische Lösungen, also Hochleistungssaatgutsorten und Biotechnologie, gefördert werden sollen. Dies aber würde die Kleinbauern in die Abhängigkeit von großen Saatgutkonzernen führen.

Hat die Lobby der Agrokonzerne hinter den Kulissen mitgewirkt?
Diese Lobby war in Rom stärker denn je. Es gab ein eigenes Forum des privaten Sektors. Vertreten waren dort auch Großkonzerne wie Cargill, Unilever und Bunge, die sich für eine neue »Grüne Revolution« in Afrika und für mehr Liberalisierung stark machen. Diese Vorschläge stellen aber keine Lösungen für die Hungernden dar, sondern würden einfach die Profite erhöhen. Es ist skandalös: In den letzten drei, vier Monaten ist die Anzahl der Hungernden weltweit signifikant angestiegen, und gleichzeitig gingen die Profite der Agrokonzerne steil in die Höhe.

Sie kritisieren eine »Entdemokratisierung der internationalen Agrarpolitik«. Warum?
In der FAO gilt noch immer das Prinzip »ein Staat – eine Stimme«. Jetzt aber wurde die Federführung für die internationale Agrarpolitik von der FAO an diese UN-Task-Force unter Schirmherrschaft von Ban Ki Moon übertragen. Deshalb ist der vorgelegte Aktionsplan auch kein zwischenstaatliches Dokument. Die Regierungen werden nicht konsultiert und haben darüber nicht zu entscheiden.

Dadurch wird also die große Zahl der Entwicklungs- und Schwellenländer aus Entscheidungsprozessen herausgedrängt?
In der Task-Force geben eindeutig Weltbank und IWF den Ton an. Und diese Finanzinstitutionen werden von den reichen Ländern dominiert.

Fragen: Kurt Stenger

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