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Sarkozy will EU-Partner mit ins Boot holen

Mittelmeerunion: EU plant Großprojekte mit privater Beteiligung

  • Holger Elias, Brüssel
  • Lesedauer: 3 Min.
Am 13. Juli soll die Mittelmeerunion gegründet werden, mit der die ins Stocken geratene Nachbarschaftspolitik der EU mit Nordafrika und dem Nahen Osten aufgefrischt werden soll. Dieser Union sollen die 27 EU-Staaten sowie 16 weitere Länder von Algerien bis Libyen angehören.

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hatte sich vor der Gründung der Mittelmeerunion nicht nur als Vater der Idee prachtvoll in Szene gesetzt, sondern er erhoffte sich auch wichtige Pluspunkte für die im Juli beginnende französische EU-Ratspräsidentschaft. Sarkozy hatte für sich in Anspruch genommen, die künftige Mittelmeerunion für einen Zeitraum von zwei Jahren repräsentieren zu wollen. Damit war der Ärger programmiert. Inzwischen kündigte der französische Staatschef an, auf dem Brüsseler Gipfel am 19. und 20. Juni einlenken zu wollen und die anderen EU-Partner gleichberechtigt beteiligen zu wollen. Demnach ist die Amtszeit auf ein halbes Jahr beschränkt; dem jeweiligen EU-Ratschef sollen ein Ko-Vorsitzender aus Nordafrika oder Nahost zur Seite stehen. Damit musste Sarkozy erneut nachgeben: Auf Druck vor allem der Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte der Präsident die Mittelmeerunion für alle EU-Staaten öffnen müssen.

EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner schlug am Donnerstag in Brüssel vor, dass sich die Staats- und Regierungschefs zweimal im Jahr zu einem Gipfel treffen sollten, denn der stelle »einen günstigen Raum für Dialog und freien Meinungsaustausch« dar. Das Gipfeltreffen in Paris sei eine Chance, »die Beziehungen zu unseren Partnern auf einer stabilen Grundlage zu entwickeln«, meinte die Außenkommissarin in der Debatte zum Barcelona-Prozess.

Im Parlament selbst gab es kaum einen Redner, der nicht etwa die Idee einer solchen Mittelmeerunion ausdrücklich begrüßte, denn der Barcelona-Prozess gilt schon seit einigen Jahren als heftig ins Stocken geraten. Vor allem die linke Fraktion machte immer wieder auf die Folgen der EU-Politik und der Abschottung der Außengrenzen für die Migration aufmerksam, die den immer wieder formulierten Ansprüchen entgegenstünden. GUE/NGL-Fraktionschef Francis Wurtz machte denn auch deutlich, dass das Thema »weit über die Nachbarschaftspolitik hinaus« gehe, es betreffe »die Stabilität in der gesamten Region«. Weder wirtschaftliches Gleichgewicht noch Wohlstand seien entgegen der Versprechungen eingetreten, konstatierte der Vorsitzende der Linksfraktion.

Martin Schulz, Vorsitzender der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament, konnte sich in der Debatte einen Seitenhieb auf den französischen Regierungschef nicht verkneifen. Er wollte in Anspielung auf Ferrero-Waldner, die wegen der Rolle Sarkozys ihre Rede ausdrücklich in dessen Landessprache hielt, eben deshalb seinen Beitrag nicht in Französisch vortragen. Die Mittelmeerunion sei keine Idee Sarkozys, sagte Schulz und räumte ein, dass der Regierungschef inzwischen »etwas vernünftiger« geworden sei. Schulz verwies ebenfalls auf die mangelhafte soziale Stabilität im Mittelmeerraum. Deshalb sei die ökonomische Integration eine »sehr, sehr gute Idee«.

Die wirtschaftliche Komponente soll ohnehin in der künftigen Union eine wichtige Säule darstellen. Die EU-Kommission will mit den Partnern, mit denen sie bisher eher lose im Rahmen der EU-Nachbarschaftspolitik über den sogenannten Barcelona-Prozess verbunden war, mehrere Großprojekte realisieren. So wird eine Autobahn durch Syrien, Libanon, Ägypten und Marokko führen, die zum Ausbau des Handels mit der EU beitragen soll. Die EU will in derartige Projekte bis 2012 rund 16 Milliarden Euro pumpen, hofft aber auch noch auf private Geldgeber.

Und das nicht ohne Grund. Bereits vor der Gründung der Union hatten sich mehrere Staaten gegen eine Erhöhung des Etats für den Barcelona-Prozess ausgesprochen und Sarkozy hatte ein Engagement der Privatwirtschaft zur Kofinanzierung entsprechender Projekte ins Gespräch gebracht. Für den Obmann der Bundestagsfraktion DIE LINKE im Ausschuss für EU-Angelegenheiten, Alexander Ulrich, ein Unding: Es sei »völlig inakzeptabel, private Investoren mit hoheitlichen Aufgaben zu betrauen, damit sie ihre wirtschaftlichen Interessen in der Energieaußenpolitik oder der Flüchtlingsfrage verwirklichen«, sagte Ulrich. Sollten sich Sarkozy und die Kommission durchsetzen, bliebe die »außenpolitische Kompetenz mit dem Rat verschränkt und es gäbe auch weiterhin keine effektive parlamentarische Kontrolle«.

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