Zwangsarbeiter-Stiftung setzt auf Zukunft

Nach Entschädigungszahlungen nun neuer Fokus / Hoffnung für italienische Zwangsarbeiter

Die Stiftung »Erinnerung, Verantwortung und Zukunft« will sich dauerhaft für Völkerverständigung und Menschenrechte einsetzen. Weiteren Entschädigungsforderungen von Zwangsarbeitern erteilte sie eine deutliche Absage. Neuerliche Schadensersatzklagen könnten indes Urteile eines Gerichts in Rom nach sich ziehen.

Der Name »Erinnerung, Verantwortung und Zukunft« ist für die Stiftung Programm. Mit der Gründung im Jahr 2000 haben etwa 6500 deutsche Unternehmen Verantwortung für ihre Verstrickungen mit der NS-Diktatur und die Ausbeutung von Zwangsarbeitern übernommen und deren erlittenes Unrecht anerkannt. »Sehr spät« zwar und nicht für alle, wie auch Martin Salm, Vorstandsvorsitzender der Stiftung, auf der Jahrespressekonferenz der Stiftung am Donnerstag zugab. Doch sieht er in der Stiftungsgründung einen »historischen Fortschritt in der Auseinandersetzung mit historischem Unrecht«. 10,1 Milliarden DM betrug damals das Stiftungsvermögen, die eine Hälfte zahlten die Unternehmen, die andere die Bundesrepublik Deutschland.

Manfred Gentz, Sprecher der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft und Kuratoriumsmitglied der Stiftung sagte: »Wir wussten, dass jeder Betrag falsch ist und dem Unrecht nicht gerecht werden kann.« Die Entschädigungen seien aber ein Zeichen der Anerkennung von Schuld.

»Dauerhafte Verantwortung und kein Schlussstrich«

Mit dem Abschluss der Auszahlungen von 4,4 Milliarden Euro an über 1,66 Millionen Zwangsarbeiter oder deren Erben im letzten Jahr ist die Aufgabe aber nicht erledigt, betonte Salm: »Die Stiftung hat eine dauerhafte Verantwortung, einen Schlussstrich kann es nicht geben.« Die Themen seien heute die Erinnerung an NS-Opfer, und der Einsatz für Völkerverständigung, Menschenrechte und Demokratie. Dafür werde die Stiftung in diesem Jahr Projekte mit 9,1 Millionen Euro unterstützen. Ein Niveau, das auch in Zukunft gehalten werden soll, so Salm. Die Stiftung verfügt zur Zeit über ein Kapital von 418 Millionen Euro.

Ein Schwerpunkt der Förderung liegt dabei in Osteuropa. Dort lebten noch hunderttausende frühere Zwangsarbeiter unter schwierigsten sozialen Umständen und bis heute marginalisiert, sagte Salm. In Russland unterstützt die Stiftung unter anderem die Nichtregierungsorganisation (NRO) Memorial, die für ihre Arbeit 2004 mit dem Alternativen Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Die Stiftung förderte bisher 10 Projekte der NRO mit 779 249 Euro. Als »absolute Existenzgrundlage« bezeichnete Irina Scherbakowa, Leiterin der Bildungsprogramme bei Memorial, diese Projektförderung.

Hoffnung auf späte Entschädigung

Neben der Anerkennung von Verantwortung und Schuld durch die Entschädigungszahlungen und dem langfristigen Engagement war das dritte Ziel der Stiftung die Schaffung von Rechtssicherheit, die Beendigung laufender und der Ausschluss künftiger Prozesse, so Gentz. Mit Abschluss der Zahlungen sei der gesetzliche Auftrag nun beendet und die Stiftung nicht mehr Adressat für Forderungen von ehemaligen Zwangsarbeitern. Fragen über mögliche Ansprüche müssten nun zwischen Regierungen gelöst werden.

Eine deutliche Aussage und prophylaktische Absage an etwaige Schadenersatzforderungen früherer italienischer Zwangsarbeiter. Denn wie die Zeitung »La Repubblica« am Donnerstag berichtete hat das Kassationsgericht in Rom Klagen von etwa 50 ehemaligen Zwangsarbeitern für legitim erklärt. Die Bundesrepublik habe nicht das Recht, sich auf Staatsimmunität zu berufen. In einem Dutzend abschließender Urteile habe das Gericht festgehalten, »die Deportationen sind ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit« und die deutschen Einwände dagegen zurückgewiesen. Die Urteile könnten nun Streit zwischen Berlin und Rom und nach italienischen Schätzungen tausende Schadensersatzklagen auslösen.

Hoffnungen auf eine Entschädigung von 28 Millionen Euro machen sich nach der Entscheidung des Gerichts auch die Hinterbliebenen der Opfer des Massakers im griechischen Distimo im Jahr 1944. Die italienische Justiz hatte nach einer Klage der Griechen die »Villa Vignioni« am Comer See, die der Bundesrepublik gehört, mit einer entsprechenden Hypothek belastet. Nun könnte sie zwangsversteigert werden.

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