Die verhinderten Kandidaten

Sächsische Posse: Wie Burgstädts Bürgermeister bei der Kommunalwahl die Konkurrenz ausbremst

  • Hendrik Lasch, Burgstädt
  • Lesedauer: 3 Min.
In Sachsens Kommunen wird gewählt. Allerdings gibt es in 142 Orten für das Bürgermeisteramt nur einen Kandidaten. In der Kleinstadt Burgstädt wären gern mehr Bewerber angetreten. Doch der Amtsinhaber hat sie ausgebremst.

Lothar Naumann versteht es, den Machtübergang einzufädeln. Wenn am Sonntag in der sächsischen 12 000-Einwohner-Stadt Burgstädt ein Bürgermeister gewählt wird, tritt der langjährige Amtsinhaber nicht mehr an. Dafür steht sein Sohn auf dem Stimmzettel – als einziger Bewerber. Die politische Konkurrenz hat Naumann in einem Coup, der je nach Standpunkt als genial oder perfide bezeichnet werden kann, aus dem Rennen genommen.

Lange Zeit hatte Naumann, der vor 30 Jahren als SED-Mitglied Bürgermeister geworden war und nun den Freien Wählern angehört, mit einer weiteren Amtszeit kokettiert – und etwaige Mitbewerber in die Resignation getrieben. Gegen den Staatsrechtler, dem eine, vorsichtig formuliert, straffe Amtsführung nachgesagt wird, habe man sich keine Chancen ausgerechnet, sagt Stadträtin Ulrike Bretschneider (LINKE): »Der Bürgermeister saß fest im Sattel.« 2001 setzte sich Naumann gegen fünf Bewerber im ersten Wahlgang durch – mit respektablen 70 Prozent.

Dann indes überlegte es sich der 59-Jährige doch anders: Naumann erklärte, er wolle nicht mehr antreten, um »meinen Ruhestand noch genießen« zu können. Statt dessen solle sein Sohn Lars kandidieren. Der 32 Jahre alte Bankangestellte war in der Kommunalpolitik bislang unauffällig. Die Burgstädter erfuhren die Nachricht am Pfingstsamstag aus der Lokalzeitung. In dem von der Mehrzahl der Bürger gelesenen kostenlosen Anzeigenblatt wurde der Personalwechsel am Samstag indes nicht angekündigt. Am Pfingstmontag lief die Meldefrist für die Wahl ab.

So kam es, dass die Burgstädter Kommunalpolitik an jenem Wochenende in ungewohnt hektische Aktivität verfiel. Für die Nominierung von Kandidaten durch die Parteien war es zu spät. Der Versuch von Bretschneider und dem FDP-Politiker Axel Härtig, die notwendigen 100 Unterschriften für eine Einzelkandidatur aufzutreiben, schlug fehl: »Es war Mühlentag und schönes Wetter«, sagt Bretschneider. Als am Pfingstmontag 18 Uhr die Kandidatenliste geschlossen wurde, war nur Naumann junior gemeldet.

Um einen Durchmarsch des Erben zu verhindern, hat sich nun ein Bündnis gefunden, das alle Feinheiten des Wahlgesetzes ausnutzen will. Das sieht für den Fall, dass bei einer Bürgermeisterwahl nur ein Kandidat antritt, ein freies Feld vor, in das weitere Namen von Hand eingesetzt werden können. In einem Flugblatt, das die »handstreichartige« Präsentation des Rathaus-Stammhalters durch Naumann senior geißelt und erklärt, die Wahl sei keine »Familiensache«, fordern LINKE, FDP und SPD sowie der Gewerbeverein die Wähler dazu auf, diese Möglichkeit zu nutzen. Bretschneider, Härtig und Ullrich Schleußner, der Wirt des »Goldenen Löwen«, erklären sich zur Kandidatur bereit. Ihr Kalkül: Wenn genügend Wähler einen Alternativkandidaten notieren, verfehlt Naumann junior die erforderlichen 50 Prozent.

Rechtlich ist das Vorgehen nicht zu beanstanden, heißt es auf ND-Nachfrage im Innenministerium: »Das Wahlrecht sieht die Möglichkeit vor.« Sei der Eintrag korrekt vorgenommen, handle es sich um eine gültige Stimme. Von denen wollen Härtig, Bretschneider und Co. genügend zusammenbekommen, um einen zweiten Wahlgang am 22. Juni zu erzwingen. Dieser wird in Sachsen nicht als Stich-, sondern als Wiederholungswahl ausgetragen. Das heißt: Es können alle bisherigen, vor allem aber auch neue Bewerber antreten. Diese Möglichkeit wollen sich die verhinderten Kandidaten nicht entgehen lassen: Am Dienstag werde nominiert, kündigt Bretschneider an, »und dann gibt es einen richtigen Wahlkampf«.

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