Potsdam zeigt kein Herz für Kinder

Kostenloses Schulessen für Arme nicht im Etat

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 2 Min.

Das große Showdown ist es dann nicht gewesen. Im zweiten Anlauf beschloss die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung am Mittwochabend den 404 Millionen Euro umfassenden Haushalt 2008. Die Linkspartei enthielt sich. Vor zwei Wochen hatte die Abstimmung in einem Eklat geendet.

Am Ende lief das Tauziehen für beide Seite auf eine Prinzipienfrage hinaus: Dem Antrag der Linkspartei, sozial bedürftigen Schulkindern ein kostenloses Mittagessen anzubieten, wollte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) unter keinen Umständen zustimmen. Um dieses Ziel zu erreichen, warf er mit Geld nur so um sich. Er versprach den kleinen Fraktionen im Stadtparlament ein Entgegenkommen in vielen Punkten und gewann so die Mehrheit.

»Wir bleiben bei diesem Ziel und werden es bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit erneut beantragen«, beharrte Linksfraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg gestern. Den Beschluss, auf Antrag das Essengeld auf einen Euro abzusenken, akzeptiert er nicht. Daher habe sich die Linksfraktion entschieden, dem Haushalt nicht zuzustimmen. Eine Blockade, wie vom Oberbürgermeister unterstellt, sei eine Enthaltung allerdings auch nicht.

Für Scharfenberg ist es unbegreiflich, weshalb die 35 000 Euro für das kostenlose Schulessen nicht aufgewendet werden. Potsdam sei schließlich eine vermögende Stadt und nehme jetzt 27 Millionen Euro Einkommenssteuer ein, wo nur 19 Millionen erwartet waren. Der Hartz-IV-Satz gewähre den rund 2200 armen Kindern in der Stadt ein tägliches Essen, das je nach Alter nur zwischen 2,50 und 3 Euro kosten dürfe. Dass dies zu wenig und ein Hohn sei, liege auf der Hand. Das habe zunächst auch der Oberbürgermeister eingesehen und sich für die Idee des kostenlosen Essens erwärmt. Jakobs müsse jetzt mit sich selbst ausmachen, ob der erneute Wortbruch und der weitere Verlust an Glaubwürdigkeit das wert war.

Bestätigt sieht sich Scharfenberg durch die Widersprüchlichkeit der vorgebrachten Gegenargumente. Während sich nach der Aussage des Finanzbeigeordneten Burkhard Exner (SPD) die Stadt eine solche angebliche Wohltat nicht leisten könne, bestand CDU-Fraktionschef Michael Schröder darauf, Eltern »nicht aus ihrer Verantwortung zu entlassen«.

»Für mich ergibt sich daraus, dass diese Unterstützung armer Familien einfach nicht gewollt ist«, meinte Scharfenberg und warnte vor einer Neiddebatte, bei der die politische Konkurrenz darauf spekuliere, dass viele Menschen den Hartz-IV-Kindern die Beihilfen einfach nicht gönnen. Der Fraktionschef verwies darauf, dass der Oberbürgermeister und die Beigeordneten 300 bis 350 Euro mehr Gehalt monatlich bekommen, weil Potsdam nun mehr als 150 000 Einwohner hat. Da sei es einmal mehr nicht vertretbar, gegenüber mangelhaft ernährten Kindern die Taschen zuzuhalten.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal