nd-aktuell.de / 07.06.2008 / Kultur / Seite 24

Findet Phönix auch Jetan Sarang?

Wo gerade eine Forschungssonde gräbt, kämpften »The Chessmen of Mars«

René Gralla

Strahlend schön sind diese Tage. Ein Sommer ohne Ende, wer will sich da schon Sorgen machen? Aber schleichend steigen die Temperaturen, langsam beginnen Seen und Flüsse auszutrocknen. Wasserreserven schwinden, um das kostbare Gut beginnen gnadenlose Verteilungskämpfe. Zukunftsangst breitet sich aus, deswegen organisieren die Mächtigen große Spiele, in Stadien vor Tausenden von Zuschauern, das Volk soll bei Laune gehalten werden.

Dieses Szenario, das der amerikanische Autor Edgar Rice Burroughs (1875 - 1950) in seiner ersten Story »Unter den Monden des Mars« 1912 entwirft und in einer sich anschließenden Fantasy-Reihe über den Roten Planeten weiter ausmalt, hat vieles von dem vorweggenommen, was Zukunftsforscher heute der Erde prophezeien. Und auch die Strategie der Mächtigen, die Massen mit Spielen von den wirklichen Problemen abzulenken, ähnelt in der Fiktion ominös der aktuellen Gegenwart. Bloß dass es jetzt der Fußball ist, der die Menschen den Alltag vergessen lässt, während auf Barsoom, wie Burroughs unseren fernen Nachbarn im Sonnensystem nennt, zwei Teams einen Kampfsport ausfechten, dessen verschiedene Akteure jeweils bloß bestimmte Bewegungen nach genau festgelegten Regeln ausführen dürfen. »Jetan«, so heißt in dem 1922 veröffentlichten Band »The Chessmen of Mars« das ritualisierte Käftemessen, wie wir von Burroughs lernen.

Das marsianische Duell auf einem 100-Felder-Brett zwischen Häuptlingen und Prinzessinnen, Fliegern und Dwars, Thoats und anderen extraterrestrischen Gestalten orientiert sich bis zu einem gewissen Grad am irdischen Schach, endet allerdings oft in einem Unentschieden. Findige Erdlinge hat das nicht ruhen lassen. Und als Ergebnis diverser Testreihen ist inzwischen das verbesserte »Jetan Sarang« herausgekommen: dank James Killian Spratt, einem 58-jährigen Bildhauer aus dem US-Bundesstaat North Carolina.

Spratt hat mit seiner Version des Basis-»Jetan« die literarische Welt des Mars-Biographen Burroughs in eine Miniaturarena aus 12 mal 12 Feldern transformiert. Samt Figuren aus dem eigenen Atelier, wobei die weiblichen Protagonisten, die eine wichtige Rolle im »Jetan Sarang« spielen, auffallend leicht bekleidet sind, eine Konsequenz der hohen Temperaturen auf dem Mars.

Rot misst sich nun mit Blau, jede Seite verfügt über 36 Kämpfer beiderlei Geschlechts, und es gibt drei Wege, eine Partie zu gewinnen: die gegnerische Königin, die »Jeddara«, samt Prinzessinnen gefangennehmen oder eine der eigenen Amazonen bis zur Basis des feindlichen Camps durchbringen oder alle Männer der anderen Partei ausschalten.

Alles in allem ist das eine virtuelle, fantastische Reise in den interplanetarischen Raum. Und wer weiß: Falls die gerade gelandete Marssonde »Phönix« tief genug gräbt, vielleicht buddelt sie am Ende doch noch einen verwitterten Set »Jetan Sarang« aus.

»Jetan Sarang« online spielen: auf play.chessvariants.org/pbm/presets/sarang_jetan.html[1]

Links:

  1. http://play.chessvariants.org/pbm/presets/sarang_jetan.html