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Gut gemeint ist lange noch nicht gut gemacht

  • Klemens Himpele
  • Lesedauer: 4 Min.
Vom 20.-22. Juni findet in Marburg der 2. Bundeskongress des linksparteinahen Hochschulgruppenverbandes »Die Linke.SDS« statt. Eine gute Gelegenheit, ein erstes Fazit über die Arbeit des vor einem Jahr gegründeten Verbandes zu ziehen.

Die Gründung von »Die Linke.SDS« ist eine Erfolgsgeschichte – zahlreiche Gruppengründungen an Hochschulen, die Kapital-Lesebewegung sowie eine beachtliche Mobilisierung zu einzelnen Kongressen verdeutlichen dies. Mit einer Mischung aus bekannten Referenten, Anmaßung, die sich schon im Verbandsnamen niederschlägt, und Revolutionsromantik werden Veranstaltungen in einem Umfang ausgerichtet, die andere Hochschulverbände neidisch werden lassen.

Das Problem des Verbandes ist jedoch das Kerngeschäft der Hochschulpolitik. So war zu zentralen hochschulpolitischen Debatten in den vergangenen Monate meist nichts zu hören. War man zunächst mit dem Streit um den Verbandsnamen befasst, so fesselten hiernach die G8-Proteste, die Venezuela-Reise und in der Folge der 68er-Kongress die Kräfte. Wohlwollend betrachtet verhindern die Events Streitigkeiten innerhalb des Verbandes, kritisch gewendet ersetzten sie dessen Politik.

Um nicht missverstanden zu werden: Ein Hochschulgruppenverband soll und muss sich allgemeinpolitisch äußern. Es muss ihm jedoch insbesondere auch gelingen, sich detailliert mit hochschulpolitischen Themen zu beschäftigen und hier mit Analysen und eigenen (Alternativ-)Konzepten in die Debatte einzugreifen. Die Devise sollte lauten: Die Verantwortung der kritischen Intelligenz im Lande nehmen wir wahr, indem wir aufzeigen, wie Kapitalismus mit Wissen, Bildung und Kritik umgeht – und wie wir uns innerhalb wie außerhalb der Hochschulen gegen diese Tendenzen als Studierende zur Wehr setzen, die gegen Studiengebühren, sehr wohl aber auch das dreigliedrige Schulsystem und KiTa-Gebühren sind.

Gerade in einer Zeit, in der ein Vorstandsmitglied des »freien zusammenschlusses von studentInnenschaften« sich von Spiegel-Online angesichts ihrer Positionen fragen lassen muss, ob sie »von allen linken Geistern verlassen« sei, bedarf es mehr denn je eines Verbandes, der glaubhaft die Interessen der Studierenden an den Hochschulen vertreten kann. Ein linkes Vakuum lässt sich in diesem Bereich kaum mittels 1968er-Kongressen schließen. Hierzu bedarf es einer fundierten Auseinandersetzung mit den Themen, die an den Hochschulen anstehen werden.

Die Abwehr der neoliberalen Angriffe auf die Kapazitätsverordnung sei exemplarisch genannt. Dazu muss man sich jedoch auch mit vermeintlich trockenem Stoff – mit Curricularnormwerten und Bandbreitenmodellen – befassen und Konzepte entwickeln, die im Rahmen des Bestehenden schon Verbesserungen ermöglichen. Die oft mühsame Auseinandersetzung etwa mit Gesetzentwürfen ist sicher langweiliger als die Organisation von Massenkongressen, jedoch mindestens genauso erforderlich, wenn der Status quo nicht zugunsten einer Eventkultur geopfert werden soll.

Wegen der fehlenden Zuspitzung auf die Hochschulpolitik (auch für Nichtstudierende) mangelt es dem Verband an einer starken Verankerung in den Studierendenvertretungen. Es fehlt an überzeugenden Ideen, wie man auch in die festgefahrene Debatte der Hochschulpolitik neue Akzente einbringen kann. Konkret stellen sich u.a. die Fragen: Welchen Hochschulzugang will »Die Linke.SDS« angesichts der derzeitigen Situation bei der Vergabe von Studienplätzen? Wie gelangt man langfristig zu einer hohen Durchlässigkeit des Bildungssystems? Wie steht man zur Differenzierung zwischen Unis und Fachhochschulen? Wie gestaltet man eine elternunabhängige Studienfinanzierung so, dass man eben nicht zu Gunsten der oberen Schicht umverteilt? Und wie geht man damit um, dass es gerade in den »verschulten« Studienfächern (Natur- und Ingenieurwissenschaften) mehr Menschen aus bildungsfernen Schichten gibt als in den geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Fächern, die traditionell von Kindern des Bildungsbürgertums gewählt werden und in denen sich die Mehrzahl der politisch links orientierten Studierenden finden lassen?

Diese Fragen weisen auf eines hin: »Die Linke.SDS« muss aufpassen, nicht ungewollt zum Interessenvertreter der Kinder des Bildungsbürgertums zu werden. Denn gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht; und die zwingenden Fragen des Zugangs von Kindern aus bildungsfernen Schichten zu den Unis beantwortet man eben nicht mit dem pauschalen Ruf nach Studienhonoraren für alle, wie dies von Verbandsvertretern getan wird! Vielmehr müssen bestehende Strukturen der Lern- und Lehrformen, des Hochschulzugangs sowie der Studienfinanzierung in Frage gestellt werden, um die Hochschulen tatsächlich zu öffnen.

Sicher: Auf viele der Fragen gibt es noch keine ausreichenden Antworten; schlagwortartige Forderungen – und mögen sie noch so richtig sein – müssen deshalb inhaltlich ausgebaut werden. Das wird die große Herausforderung der nächsten Monate sein. In Marburg sollte damit begonnen werden.

Der Autor ist Diplomvolkswirt. Er ist Mitglied im erweiterten Vorstand des Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi) und war Geschäftsführer des Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren (ABS).

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