Ja zur 30-Stunden-Woche und ein klares Nein zur EU

Schwedens Linkspartei kritisiert neoliberalen Kurs Brüssels

  • Bernd Parusel, Stockholm
  • Lesedauer: 3 Min.
Schwedens Linkspartei »Vänsterpartiet« hält an ihren Herzensfragen fest, kämpft aber mit miserablen Umfragewerten. Beim Kongress am vergangenen Wochenende wurde Lars Ohly als Parteichef bestätigt.

Seit Schwedens Grüne Ende Mai beschlossen, ihre Forderung nach einem Austritt Schwedens aus der Europäischen Union aufzugeben, ist die Linkspartei »Vänsterpartiet« die einzige im schwedischen Reichstag vertretene Kraft, die noch immer an einem Ausstieg der Gemeinschaft festhält. An der fundamentalen Kritik an der aus ihrer Sicht neoliberalen und antidemokratischen EU wollten auch die rund 225 Delegierten, die sich letztes Wochenende zum Parteitag in Norrköping trafen, nicht rütteln. Der in seinem Amt bestätigte Parteichef Lars Ohly sagte in seiner abschließenden Rede, der Sozialismus der Linkspartei sei mit drei Worten zusammenzufassen: »Viel mehr Demokratie«. Ohly führte aus: »Wir wollen die Macht der Lohnarbeiter über ihre Arbeitsplätze steigern, die Macht der örtlichen Bevölkerung über ihre Wohngebiete, die Macht der Schüler und der Lehrer über ihre Schule und die Macht aller Menschen über die Entwicklung der Gesellschaft«.

Aufgrund dieser basisdemokratischen Sicht ist es der Linkspartei ein Dorn im Auge, dass immer mehr politische Beschlüsse im weit entfernten Brüssel gefasst werden. Bemängelt wird auch, dass EU- Binnenmarktpolitiken die Tarifverträge und den Einfluss der Gewerkschaftsbewegung auf die Arbeitsverhältnisse in Schweden geschwächt haben. Das »Nej« der Vänsterpartiet zur EU ist aber auch aus wahltaktischen Gründen geradezu ein Muss: Umfragen zufolge will rund ein Vierteil der Schweden aus der 27er Union austreten. Wenn es Lars Ohlys Partei gelänge, auch nur die Hälfte dieser Wähler für sich zu gewinnen, bekäme sie bei der nächsten Europawahl 2009 ein ausgezeichnetes Ergebnis. Problematisch ist nur, dass die bürgerliche »Juni-Liste« und die stärker werdenden rechtsradikalen »Schwedendemokraten« ebenso EU-Skeptiker anlocken. Deren Kritik am Brüsseler Europa ist im Gegensatz zur Linkspartei nationalistisch, hört sich oft aber ähnlich an.

Auch eine weitere Herzensfrage der Parteibasis, die Verkürzung der Normalarbeitszeit von acht auf sechs Stunden pro Tag bei gleichem Lohn, wurde von den Delegierten in Norrköping bestätigt. Der Parteivorstand hatte gefordert, die im Parteiprogramm enthaltene Forderung allgemeiner zu formulieren und lediglich für eine unbestimmte Arbeitszeitverkürzung einzutreten. Eine Mehrheit der Delegierten wollte das Programm jedoch nicht aufweichen.

Übereinstimmend mit der Parteiführung votierten die Delegierten dagegen für ein generelles Verbot von Rüstungsexporten. Die aktuellen schwedischen Regeln, die lediglich Exporte in Krieg führende Staaten verbieten, lassen aus Sicht der Linken zu viele Ausnahmen zu. Im Streit zwischen Verteidigern des Urheberrechts und Befürwortern eines legalisierten Austauschs von Filmen, Spielen und Musik im Internet stellte sich der Parteitag auf die Seite der »Filesharer«. Mehrere Beschlüsse gab es zur Umwelt- und Klimaschutzpolitik, wo die Linkspartei bisher ein schwaches Profil zeigte.

In der Abstimmung über den Parteivorsitz setzte sich der als »Traditionalist« bekannte Amtsinhaber Lars Ohly (51) mit 203 Stimmen gegen einen Herausforderer, den »Reformer« Staffan Norberg (14 Stimmen), durch. Die Abstimmung zeigte, dass der Reformflügel innerhalb der Linkspartei gegenüber früheren Jahren heute stark geschwächt ist. Lars Ohly ist dennoch nicht unumstritten und hat mit schweren Problemen zu kämpfen. Im Lauf seiner Amtszeit sank die Linkspartei in Meinungsumfragen von neun bis zehn Prozent Zustimmung im Jahr 2004 auf heute zwischen 4,5 und 5,5 Prozent ab. Viele Schweden empfinden die Vänsterpartiet als autoritär und rückwärtsgewandt.

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