60 Jahre Soziale Marktwirtschaft

Kanzlerin lobte D-Mark und Wettbewerb

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 2 Min.
Mit einem Feier beging die politische Elite gestern den »60. Jahrestag der Sozialen Marktwirtschaft«. Bundeskanzlerin Angela Merkel würdigte die positive Rolle Ludwig Erhards, pflegte lieb gewonnene deutsche Nachkriegsmythen und erteilte nebenbei dem Mindestlohn eine Absage.

In ihrer Laudatio auf die soziale Marktwirtschaft beschrieb Bundeskanzlerin Angela Merkel das zerstörte Nachkriegsdeutschland in eindringlichen Worten. Als alles in Ruinen lag, so Merkel, wurde eine Idee geboren – die Idee der Sozialen Marktwirtschaft. Deren Vater, Ludwig Erhard, beschäftigte sich schon vor 1948 intensiv mit den Problemen einer Nachkriegsökonomie. Bereits 1944 wurde er als Leiter des »Instituts für Industrieforschung« beauftragt, mögliche Nachkriegsszenarien für die deutsche Wirtschaft zu entwickeln. Sein besonderes Augenmerk galt dabei dem Erhalt von Konzernvermögen. Doch von dieser besonderen Vorarbeit war gestern keine Rede.

Der Kanzlerin lag vielmehr der »Leistungswettbewerb« am Herzen, denn nur er ermögliche Sozialleistungen, meinte Frau Merkel. Sie beschwor auch die soziale Durchlässigkeit der Gesellschaft. »Sonst wenden sich die Menschen von ihr ab«, mahnte sie. Doch genau das geschieht in jüngster Zeit: Laut einer aktuellen Umfrage der Meinungsforscher aus Allensbach hat die Mehrheit der Deutschen ihren Glauben an die soziale Marktwirtschaft inzwischen verloren. Die unzufriedensten 38 Prozent der Befragten haben »keine gute Meinung« von der deutschen Wirtschaftsordnung und lehnen sie ab, stellten die Demoskopen fest. Dazu passt auch ein Bericht der Financial Times Deutschland, demzufolge sich die Chancen für einen sozialen Aufstieg für Kinder aus ärmeren Elternhäusern in den letzten Jahrzehnten stark verschlechtert haben. »Die oberen Sozialschichten schotten sich ab«, heißt es in dem Artikel.

Die Vertreter eben jener oberen Sozialschichten zollten der Kanzlerin dann Beifall, als sie den einheitlichen Mindestlohn einen »Jobkiller« nannte. Wieder musste Ludwig Erhard herhalten, um niedrige Löhne für Friseurinnen zu rechtfertigen. »Im Zweifelsfall gibt der Staat etwas dazu«, sagte Merkel. Die Vertreter des Koalitionspartners SPD dürften das mit Interesse vernommen haben, schließlich versuchen die Sozialdemokraten augenblicklich, sich mit der CDU auf einen Mindestlohn zu einigen.

Am Ende ihrer Laudatio rief Angela Merkel dann auch noch die »Bildungsrepublik Deutschland« aus. Während der Übertragung ihrer Rede auf dem Sender Phoenix lief über den News-Balken die Kurzmeldung, dass jeder vierte Jugendliche mittlerweile nicht mehr »ausbildungsfähig« sei. Doch anstatt sich ernsthaft mit diesen dringlichen Problemen auseinanderzusetzen, beschwor sie die heile Welt des Wirtschaftswunderdeutschlands. Bezeichnend auch das Erhard-Zitat, mit dem sie ihre Rede enden ließ: »Noch besser; von Tag zu Tag immer besser«.

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