Bloß nicht anecken

Rock gegen rechte Gewalt plant Festival in Leipzig

Mit einem imposanten Pool von Unterstützern und Sponsoren im Rücken bereitet die Initiative Rock gegen rechte Gewalt ein großes Festival am 23. März in Leipzig vor. Vom großen Autokonzern über die Stadtsparkasse bis hin zu einer regionalen Brauerei: alle wollen dabei sein, wenn Udo Lindenberg, Die Prinzen, Die Toten Hosen, Keimzeit, Nina Hagen, Ben Becker, die afrodeutsche Musikerinitiative Brothers Keepers und viele andere zu Gunsten verschiedener Initiativen gegen Rassismus und rechtsradikale Gewalt aufspielen. Die Schirmherrschaft hat der Leipziger Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee (SPD) übernommen und auch die Bundesregierung hat ihre Unterstützung bekundet. Medienpartner sind die ARD und der Internetmulti AOL. Das Konzert wird live auf »Phoenix« übertragen und zeitversetzt als »Rockpalast-spezial« im Westdeutschen Rundfunk gesendet. Der Erlös der Veranstaltung soll wie schon vergangenen Jahr verschiedenen Initiativen zu Gute kommen. Dazu gehören die nach einem 1990 in Eberswalde von Neonazis erschlagenen angolanischen Arbeiter benannte Amadeu-Antonio-Stiftung, die Kultur- und Sozialprojekte gegen rechte Gewalt in Brandenburg initiiert und der Verein EXIT, der ausstiegswilligen Anhängern der Rechten den Absprung aus der Szene ermöglichen will. Angesichts der Streichorgien der Finanzpolitiker und Stadtkämmerer sind diese Geldspritzen auch bitter nötig, da viele örtliche Initiativen auf Grund von Mittelkürzungen in ihrer Existenz bedroht sind. Doch so lobens- und unterstützenswert Aktionen, die auf materielle Unterstützung von Aktivitäten gegen Neonazis und andere Rassisten zielen, auch sind: ein Beigeschmack bleibt. So nutzen einige Künstler, die den Zenit ihrer Karriere überschritten haben, das medienträchtige Label »gegen rechte Gewalt« um ihre neuen Produktionen zu featuren. Es erscheint kaum eine Presseveröffentlichung über das geplante Konzert ohne massiven Hinweis auf die neue Single von Udo Lindenberg. Ein weiteres Problem ist sicherlich die Staatsnähe der Initiative. So treten Spitzenpolitiker als Mentoren und Förderer auf, die für die international kritisierte repressive Ausländerpolitik der Bundesrepublik unmittelbare Verantwortung tragen. Folgerichtig findet man in den Aufrufen zu der Veranstaltung auch nur allgemeine Statements für »mehr Toleranz« und »gegen Gewalt« und kein Wort über staatlichen Rassismus, menschenunwürdige Abschiebepraxis und die vielfältige gesetzliche Diskriminierung und Schikanierung von Flüchtlingen. Im vergangenen Jahr wurden sogar Gruppen, die entsprechende kritische Materialien an die Zuschauer des Berliner Konzerts gegen rechte Gewalt verteilen wollten, der Halle verwiesen. Das bezeichnete Anetta Kahane von der mitveranstaltenden Amadeu-Antonio-Stiftung am Mittwoch am Rande einer Pressekonferenz der Initiatoren des Festivals in Berlin gegenüber ND als »organisatorische Panne«. Sie räumte eine gewisse Staatsnähe der Veranstaltung ein. Schließlich sei das Bündnis von »Kräften aus der Mitte der Gesellschaft geprägt«, so Kahane, die aber zusagte, dass diesmal auch staatskritische antirassistische Gruppen ein Podium auf der Veranstaltung erhalten würden. Die Pressekonferenz selber war eher eine Personality-Show des Udo Lindenberg und anderer Showgrößen. Lediglich die Brothers Keepers brachten aktuelle rassistische Übergriffe und die Tatenlosigkeit der Behörden ins Gespräch. So wirds denn am 23. März in den Leipziger Messehallen in erster Linie ein großes deutsches Rockfestival mit einigen aktuellen und einigen etwas abgestandenen Künstlern und ein riesiges Medienspektakel geben - eine Bühne für Selbstdarsteller aus Politik, Wirtschaft und Kultur. Wenn da nicht das dringend notwendige Geld für antirassistische Initiativen wäre, dass auf dieser Veranstaltung eingespielt werden so...

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