nd-aktuell.de / 20.06.2008 / Politik / Seite 7

Die EU kämpft gegen Armut – für ein Jahr

17 Millionen Euro für Initiativjahr 2010

Holger Elias, Straßburg
Das Europäische Parlament hat diese Woche mit großer Mehrheit dem Vorschlag zugestimmt, 2010 zum »Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung« zu erklären.

Insgesamt 78 Millionen EU-Bürger seien von Armut bedroht, darunter 19 Millionen Kinder, betonten die Abgeordneten. Ein Schwerpunkt soll deshalb auf der Bekämpfung von Kinderarmut liegen. Initiativen im Laufe des Jahres sollen die »Vererbung von Armut« bekämpfen, benachteiligte Regionen unterstützen und die Integration von Einwanderern fördern. Im Mittelpunkt der Förderung stehen Großfamilien, alleinerziehende Eltern, Familien, die pflegebedürftige Personen betreuen, und Kinder. Darüber hinaus sind Aktionen geplant, die beispielsweise den Zugang zu Kultur und Freizeitmöglichkeiten erleichtern und die Eingliederung von Zuwanderern fördern.

Die EU will 17 Millionen Euro für Veranstaltungen, Informationskampagnen und Studien im Rahmen des Europäischen Jahres gegen Armut bereitstellen, der höchste Betrag, der je für ein Europäisches Jahr zur Verfügung gestellt wurde. Die Kosten für Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene können mit bis zu 80 Prozent bezuschusst werden. Aktionen auf lokaler, regionaler oder nationaler Ebene haben Anspruch auf maximal 50 Prozent Kofinanzierung.

»Dringend nötig« als Katalysator für ein wachsendes Bewusstsein von Politik und Öffentlichkeit hält die EU-Abgeordnete der GUE/NGL-Fraktion Gabi Zimmer das Europäische Jahr 2010. Um Armut ernsthaft zu bekämpfen und als gesellschaftliches Problem auszumerzen, wären allerdings konkrete, verbindliche Politikstrategien, Zielstellungen und die Garantie individueller Rechte auf ein Leben ohne Armut und soziale Ausgrenzung innerhalb der EU erforderlich, sagte sie in Straßburg. Bisher seien die Strategien der EU jedoch »nicht direkt mit der Bekämpfung von Armut verknüpft«. Es habe sich gezeigt, dass Wirtschafts- und Jobwachstum keinen positiven Einfluss auf diese Entwicklung hätten. »Selbst die reichsten Mitgliedstaaten der EU müssen ein Anwachsen der Zahlen von Menschen, die in Armut oder unterhalb der Armutsrisikoschwelle leben, konstatieren«, sagte Zimmer. In Deutschland seien in den letzten Jahren gerade die Niedrigeinkommen weiter gesunken.

In einem Bericht des »Bureau of European Policy Advisers«, der im Auftrag der EU-Komission im vergangenen Jahr veröffentlicht worden war, wurde festgestellt, dass in Deutschland 42 Prozent der unter 30-jährigen Alleinlebenden und 44 Prozent der Alleinerziehenden von Armut betroffen oder gefährdet sind.