»Freundliche Besetzung« der Gewalt-Route

Bündnis will friedlichen 1. Mai in Kreuzberg organisieren/Bei der Polizei ist man eher skeptisch

Mit einer »freundlichen Besetzung« des Areals von Mariannenplatz, Lausitzer Platz, Kottbusser Tor, Oranienplatz sowie der zuführenden und anliegenden Straßen will ein Bündnis »Denk Mai Neu« die dort über Jahre nahezu ritualisierte Gewalt am 1. Mai beenden (ND v. 20. d. M.). Die allgemeine Gewalterschöpfung sei eine gute Voraussetzung, die Courage zu Änderungen aufzubringen, sagte Mitorganisator Peter Grottian, Politikprofessor an der FU, als er gestern der Presse das Konzept vorstellte. Das Bündnis aus Bürgerinitiativen, Parteien, linken Gruppen, Kirchen, Künstlern und Gewerkschaften geht davon aus, dass sich die Polizei aus der oben umrissenen »Politmeile« völlig zurückzieht. Gleichzeitig soll rund 60000 Bürgern ein vielfältiges Angebot an Selbstbetätigung, aber auch an Streitgesprächen, Anhörungen, Musik, Tanz, Sport und Spiel gemacht werden. Es soll ein politischer und ein spaßvoller 1. Mai werden, sagte Grottian. Die Vorgespräche mit Innensenator Ehrhart Körting (SPD), der Polizeiführung und der Gewerkschaft der Polizei seien »vielversprechend« verlaufen. Der Senator habe sich auf das Konzept »eindeutig zubewegt«, meinte Grottian. Die Polizeiführung äußerte erhebliche Bedenken und »hält sich alle Optionen offen«, vieles deute aber darauf hin, dass bei ihr ein Lernprozess begonnen habe. Marc Schlosser von der Antifaschistischen Aktion Berlin (AAB), der die Polizei die Urheberschaft aller Mai-Gewalt zuschiebt, informierte darüber, das es auch dieses Jahr die »Revolutionäre 1.-Mai-Demo« geben werde. Route und Motto stünden noch nicht fest. Man müsse den Tag auf vielfache Weise nutzen, um sich über Veränderungen in Kreuzberg und anderswo in der Stadt zu verständigen, über Unrecht, das scheinbar gottgegeben ist, betonte Sascha Kimpel von Attac Berlin. Werden die Veranstalter die Sicherheit garantieren und z. B. Ordner stellen? Die Faszination brennender Barrikaden erlösche, wo sich zehntausende Leute darauf verständigt hätten, ein friedliches politisches Fest zu feiern, ist sich Grottian sicher - »sie sind gewissermaßen unsere Ordner«. Man könne jedoch nicht ausschließen, dass eine Mülltonne brenne oder ein Stein fliege. Das Bündnis sei kein Zusammenschluss mit dem selbstüberschätzenden Verständnis, »alle potenziellen Gewaltdynamiken unter Kontrolle halten zu können«, sagte Grottian. Die GdP bleibt skeptisch. Man unterstütze zwar alle Konzepte, die Gewalt vermeiden helfen könnten, ein polizeifreies Kreuzberg könne es aber nicht geben, so GdP-Landeschef Eberhard Schönberg. Das staatliche Gewaltmonopol müsse konsequent umgesetzt werden. Wer den Mai feiern wolle, müsse die Anwesenheit der Polizei akzeptieren. Es könne nicht sein, dass sich einige hundert Menschen durchsetzen und Kreuzberg zum rechtsfreien Raum erklären dürften, sagte Schönberg. Bleibt die Frage, ob sich das Bündnis im weitgehenden Konsens mit der Polizeiführung gegen Verantwortung tragende Kritiker durchsetzen kann, dass ausschließlich in klar definiertem Notfall (Kneipenschlägerei, Autounfall, Gasausbruch usw.) Polizei zweckgebunden eingesetzt wird, ansonsten sich fern von allem Geschehen hält. Das werde man weiter gelassen erörtern, sagte Grottian. Deeskalation bedeutein diesem Falle »eben nicht ab...

Wenn Sie ein Abo haben, loggen Sie sich ein:

Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.

Bitte aktivieren Sie Cookies, um sich einloggen zu können.