Umstieg, Aufstieg, Seifenoper

Beim Olympia-Debüt der Bob-Frauen Silber und Bronze hinter den USA

Im Maul des »Haifisch«-Bobs von Sandra Prokoff zappelte Silber, um den Hals von Susi Erdmann baumelte zehn Jahre nach ihrem Rodel-Debüt bei Olympia erneut Bronze - doch die glücklichste Frau nach dem ersten olympischen Frauenbob-Rennen war Jill Bakkens Anschieberin Vonetta Flowers. Die Afro-Amerikanerin mit dem klangvollen Namen weinte vor Glück. Als erste dunkelhäutige Olympiasiegerin bei Winterspielen schrieb sie doppelt Geschichte. Geschichten bot dieses geschichtsträchtige Rennen im Überfluss. Die von Susi Erdmann zum Beispiel, die das Kunststück fertig brachte, in zwei verschiedenen Wintersportarten Olympiamedaillen zu gewinnen. Nach Bronze 1992 und Silber 1994 im Rodeln nun Bronze im Zweierbob. Vor drei Jahren fasste die dreimalige Schlitten-Weltmeisterin den Entschluss, in den Bob umzusteigen. Ein Weg, der sie im reiferen Alter von nun 34 Jahren Kraft und Geld gekostet hat. Die »Susi Sorglos« aus Rodel-Tagen, die oft allzu sorglos und bisweilen leichtfertig mit ihrem Gerät zu Tal gerast war, verwandelte sich in eine Mini-Unternehmerin mit eigenem Team und professioneller Einstellung. Nun wurde sie entlohnt für Schinderei im Kraftraum, stundenlange Lkw-Alleinfahrten und müdes Lächeln über ihren zweiten sportlichen Versuch. »Ich wollte bei meinen vierten Winterspielen und in einer zweiten Sportart eine Medaille. Dieses Ziel habe ich erreicht. Jetzt kann ich es genießen«, freute sich die wohl beste Frau am Steuer eines Bobs über die Bronze-Fahrten mit der gelernten Leichtathletik-Dreispringerin Nicole Herschmann aus Berlin. Wo der Erfolg zu suchen war, musste Susi Erdmann niemandem erklären. Von ihrem früheren Lebensgefährten Christoph Langen leaste sie einen vernünftigen Schlitten und borgte sich am Renntag vom Zweier-Olympiasieger auch zwei schnelle Kufen aus. Wie ein Märchen klingt dagegen der Aufstieg von Sandra Prokoff. Die in Dresden geborene Pilotin aus Winterberg gewann auf den Tag genau rekordverdächtige 16 Monate nach ihrer allerersten Bobfahrt mit Anschieberin Ulrike Holzner Olympia-Silber. »Ich bin schlecht gefahren und habe damit sogar Gold vergeigt«, war der 27-Jährigen nach dem Rennen klar. »Aber Silber ist auch eine tolle Farbe.« Die Story von den vergessenen Siegerinnen passt in jeden Hollywood-Streifen. Jill Bakken und Vonetta Flowers betraten in jenem Moment die Szenerie, als die Seifenoper um das Team USA I ihren Höhepunkt erreichte. Mit einem Muskelfaserriss im Oberschenkel schob Gea Johnson humpelnd die hoch gehandelte Pilotin Jean Racine in die Olympia-Spur und auf Platz fünf. Vorausgegangen war ein wochenlanges Theater, in dem Racine ihre Stamm-Bremserin und Freundin Jennifer Davidson aus dem Team geworfen hatte. Davidson wollte sich in den Olympia-Bob klagen. Am Renntag betrachtete sie lächelnd das peinliche Geschehen, während Gea Johnson mit Gehhilfen das Gelände verließ. Die Zuschauer hatten ihre Heldinnen indes längst ausgemacht. ...

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