Sternstunde in Wasatsch-Bergen

Silber bei 1,5-km-Sprint-Premiere an Evi Sachenbacher und Peter Schlickenrieder

Unter dem weiß-blauen Himmel der Wasatsch- Berge feierten die deutschen Langläufer ein Jubelfest. Oldie Peter Schlickenrieder und Evi Sachenbacher ließen ihren Freudentränen freien Lauf. Langlauf- Koordinator Jochen Behle sprach vom »glücklichsten Tag meiner Trainer-Laufbahn«, und Cheftrainer Jürgen Wolf war nach der dritten Medaille zu Recht stolz: »Das war ein geniales Ergebnis für den deutschen Skilanglauf.«

Olympiamedaillen letztmals 1976 und 1980

Mit ihren Sprint-Silbermedaillen hinter der Russin Julja Tschepalowa und dem norwegischen Weltmeister Tor Arne Hetland hatten der nur 1,61 m große »Loipen- Floh« aus Reit im Winkl und der für Hirschau startende Schlierseer für das beste deutsche Langlauf-Ergebnis bei Winterspielen seit 1976 bei den Männern und seit 1980 bei den Frauen gesorgt. Das hervorragende Abschneiden der deutschen Athleten komplettierten Claudia Künzel (Oberwiesenthal) als Vierte und Tobias Angerer (Vachendorf) als Siebenter.
Für die 21-jährige frühere Junioren-Weltmeisterin Evi Sachenbacher ist Olympia-Silber, das sie auf den »Raketen-Ski« ihrer im Viertelfinale gescheiterten Mannschaftskollegin Anke Reschwamm gewonnen hat, der erste große Einzelerfolg überhaupt. Für Peter Schlickenrieder, der am vergangenen Sonnabend seinen 32. Geburtstag feierte, war es der letzte Auftritt im Kreis der Weltelite. »Ich habe meiner Nina versprochen, dass ich nicht mehr so lange von zu Hause weg bleiben werde«, begründete der zweifache Familienvater seinen Rücktritt und riss sich das Heftpflaster vom kleinen Finger der rechten Hand. Dort hatte der WM-Sechste einen Glücksbringerring seiner fünfjährigen Tochter angeklebt. »Ein Versprechen muss man halten. Ich werde nur noch ein kultiges Mannschaftsrennen in Berchtesgaden und den Engadiner Skimarathon zum Saisonausklang laufen«, kündigte der Diplomkaufmann an.
Vor vier Jahren hatte Schlickenrieder nach der verpassten Olympia-Qualifikation für Nagano schon ein Mal den Abschied vom Leistungssport verkündet. Doch dann wurden die Sprint-Rennen als WM- und olympische Disziplin eingeführt. Wolf überredete ihn zum Neuanfang. »Ohne den Jürgen hätte es mich als Läufer nicht mehr gegeben und auch nicht die Silbermedaille als gigantisches und schönstes Ergebnis meiner Laufbahn.«
Beim ersten Weltcup-Sprint des Winters im italienischen Cogne war der Bundeswehr-Sportsoldat noch klar an der Qualifikation für die K.o.-Runden gescheitert und wollte schon die Brocken hinschmeißen. Am 27. Dezember schaffte der dreimalige Weltcup-Sieger mit dem sechsten Platz in Partenkirchen zwar die Olympia-Norm, »doch anschließend war ich platt«, beklagte er damals mangelnde Form.
Am gleichen Tag war Evis Sachenbachers Stern am Sprinter-Himmel mit dem überraschenden Sieg am Fuße der Olympiaschanze aufgegangen. »Seitdem weiß ich, dass ich auch sprinten kann. An eine Olympiamedaille habe ich trotzdem nie gedacht. Ich wollte hier Achte werden. Es ist der pure Wahnsinn«, jubelte die Sportsoldatin und dankte den Wachsern für das Präparieren sowie Anke Reschwamm fürs Ausleihen der »Superski«. »Jetzt wollen wir am Donnerstag mit der Staffel noch ein Mal angreifen. Die Männer haben uns vorgemacht, was möglich ist.«
Einer der »Männer im Hintergrund« musste schon für die überraschende Bronzemedaille der deutschen Langlauf-Männerstaffel seine Haare lassen: Chef-Wachser Uwe Bellmann. »Das war so ausgemacht, wenn das Team eine Medaille gewinnen würde. Jetzt sind es nach den Sprints bereits drei - und ich bin schon ein bissel stolz, dass wir fast immer gute Ski gemacht haben«, sagte der knapp 40-jährige Ex-Oberwiesenthaler Auswahlläufer.

30 Wachs-Sorten und sechs Laufsohlen-Schliffe

»Gute Ski ist maßlos untertrieben. Was die Techniker heute hingezaubert haben, war ein Traum. Ihnen gebührt ein Teil der Medaillen. Das waren Raketen«, lobte Koordinator Jochen Behle sein sechsköpfiges Wachser-Team. »Wir sind seit drei Jahren ein eingeschliffenes Team«, ergänzte Bellmann. Allein am Tag der Sprint-Entscheidung probierten die »Bellmänner« 30 Sorten Wachs und sechs verschiedene Schliffe der Laufsohlen.
Der in Hirschau wohnende Bellmann geht im Sommer seinem Job als Zöllner im Schichtdienst an der deutsch-tschechischen Grenze in Waidhaus nach. »Das belastet die Familie. Den ganzen Winter bin ich unterwegs. Im Sommer fressen die Schichten Zeit. Es wäre schön, wenn sich das bald ändern würde«, sagt...

Wenn Sie ein Abo haben, loggen Sie sich ein:

Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.

Bitte aktivieren Sie Cookies, um sich einloggen zu können.