nd-aktuell.de / 11.07.2008 / Politik / Seite 8

Sarkozy: Die Zeit arbeitet gegen uns

EU-Ratsvorsitzender warnt Europa vor Stillstand / Direkte Kritik an Kaczynski

Der französische Staatschef Nicolas Sarkozy befürchtet angesichts der EU-Krise nach dem irischen Nein zum Reformvertrag einem Stillstand in Europa. Er sprach sich aber auch gegen Europa mehrerer Geschwindigkeiten aus.

Straßburg (AFP/ND). »Die Zeit arbeitet gegen uns», sagte der amtierende EU-Ratsvorsitzende am Donnerstag vor dem Europaparlament in Straßburg. Europa warte nun schon seit Jahren auf institutionelle Reformen, dies könne so nicht weitergehen. Sprecher der meisten Fraktionen sagten dem französischen Staatschef ihre Unterstützung während der bis zum Jahresende dauernden EU-Ratspräsidentschaft zu.

Sarkozy kündigte an, er wolle bei seinem Besuch in Dublin am 21. Juli gemeinsam mit der irischen Regierung nach einer Lösung suchen. Es werde aber »keine neue Regierungskonferenz, keinen neuen Vertrag« geben. Mehrfach forderte Sarkozy während seiner mehr als dreistündigen Intervention im Straßburger Plenarsaal den polnischen Präsidenten Lech Kaczynski auf, den Reformvertrag zu unterzeichnen. Kaczynski habe diesen Vertrag mitverhandelt, er habe ihn unterschrieben und damit der EU sein Wort gegeben. »Wer in Europa sein Wort gibt, müsse es halten. Der französische Präsident bekräftigte zugleich seine Ablehnung gegen die Aufnahme weiterer Länder in die EU, solange der Reformvertrag von Lissabon nicht in Kraft ist. »Wenn es beim derzeitigen Nizza-Vertrag bleibt, dann bleibt es beim Europa der 27», sagte er. Neue Erweiterungen seien nur mit neuen Institutionen möglich. Es sei ein Fehler gewesen, erst zu erweitern und dann die institutionellen Reformen anzugehen. Sarkozy sprach sich gegen ein Europa mehrerer Geschwindigkeiten aus. Dies dürfe nur die »allerletzte Lösung« sein.

Als oberste Priorität der französischen EU-Ratspräsidentschaft nannte Sarkozy den Kampf gegen den Klimawandel. Bis Jahresende solle ein Energie- und Klimapaket geschnürt werden. Dabei müssten aber alle EU-Staaten mitziehen und nicht noch Nachverhandlungen über einzelne Punkte verlangen. Die EU müsse beim Klimaschutz vorangehen. »Wenn wir warten, bis andere den ersten Schritt machen, dann können wir lange warten», sagte er.

Der Vorsitzende der sozialistischen Fraktion, Martin Schulz (SPD), forderte den französischen EU-Vorsitz auf, konkrete Vorschläge für ein soziales Europa vorzulegen. Wenn der Sozialstaat nicht abgesichert werde, würden sich die Menschen von Europa abwenden. »Dann nützt uns auch der Reformvertrag nichts.« Der Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Daniel Cohn-Bendit, kritisierte die französischen Vorschläge für eine Begrenzung der Einwanderung. »Wir haben ein Haus gebaut und die Türen verschlossen«, sagte er. Da sei es nicht verwunderlich, wenn die Menschen versuchten, nun »durch die Fenster in das Haus zu gelangen».