Abratzen bei Bodelmutz und Co.

Eine Nacht im Baumhaushotel Einsiedel lässt Erwachsene für kurze Zeit wieder zu Kindern werden

  • Kerstin Micklitza
  • Lesedauer: 4 Min.
Bodelmutz sammelt Wecker, und jeder zeigt eine andere Zeit an.
Bodelmutz sammelt Wecker, und jeder zeigt eine andere Zeit an.

Der Kuckuck ruft von weiter her, der Specht hämmert eifrig im Nachbarbaum. Über den Wäldern an der Lausitzer Neiße ganz im Osten Deutschlands schiebt sich langsam die Sonne empor. Ihre ersten Strahlen kitzeln den Baumhausschläfer an der Nase. Noch verkriecht er sich unter der grün gemusterten Bettdecke, die so ganz mit dem grünen Blätterdach der Bäume ringsum harmoniert. Doch dann schlägt er die Augen auf, und sein Blick beginnt langsam die vielen Wecker in Bodelmutzens Haus abzuwandern. Jeder von ihnen zeigt eine andere Zeit. Tatsächlich aber ist die Nacht vorbei und jetzt kann wirklich nur die Höhenschockdusche mit Freilufttrocknung beim Wachwerden helfen. Anfangs verursacht das eiskalte Wasser noch Gänsehaut, doch das herrliche Naturpanorama der Neißeaue, das Rieseln des Wassers hinab in die Tiefe, der schillernde Regenbogen zu Füßen und das fünffache Spiegelbild an den Seitenwänden lassen das Frieren glatt vergessen.

Fast normgerecht – krumm, schief, knorrig

Bodelmutzens Geisterhaus, Modelpfutzens Wipfelgipfel, Fionas Luftschloss, Baba Doros Kräuterkate und Judkas Trollfamilienhaus ergeben zusammen das erste Baumhaushotel Deutschlands, durch mehrere Stege und eine Plattform miteinander verbunden. Bereits seit 2005 wird das auf der Kulturinsel Einsiedel in Ostsachsen gelegene Hotel vor allem in den Ferien, an Wochenenden und Feiertagen von Familien mit Kindern gern angenommen. Seit Juni kann man in drei weiteren, nun winterfesten Baumhäusern übernachten, mit mehr Platz als bisher, für jeweils sechs Personen.

Die künstlerischen Ideen für die außergewöhnlichen Quartiere in acht bis zehn Metern Höhe lieferte der Holzgestalter Jürgen Bergmann, dessen Firma auch sämtliche Spiel- und Kunstobjekte auf der Kulturinsel Einsiedel entwarf. Hier steht alles unter dem Motto, »spielerische Verbindungen zwischen Kunst, Kultur und Natur« schaffen. Augenfällig sympathisch bei allen Konstruktionen ist das Fehlen rechter Winkel, so ganz untypisch für das normsüchtige Deutschland. Stattdessen regieren krumm, schief und knorrig.

Längst ist Bergmanns Kreativität auch im Ausland gefragt, so tragen Spielwelten in Belgien, Österreich, Spanien, Portugal oder England die Handschrift seiner Firma. In Einsiedel werden auch die Erwachsenen wieder zum Spielen verführt. Ganz gleich, ob es gilt, das zappendustere Tunnelsystem zu erforschen, die Geheimrutsche auszuprobieren, sich im Kletterwald zu beweisen oder beim Matschen im Wildwasserbach alle feinen Sitten zu vergessen. Den Einsiedler Holzkünstlern spuken bereits neue Pläne im Kopf herum. So die Abenteuertoilette in Labyrinthform und ein Baumhausmuseum, durch das man in luftiger Höhe mit einer Draisine zwischen den Wipfeln hindurchfahren kann.

Cocktails schlürfen in den Baumwipfeln

Die Krönung aber soll das sogenannte Wipfelei werden: Dank der guten Zusammenarbeit mit den benachbarten polnischen Walddörfern wird diese Wipfelbar 25 Meter über den Bäumen jenseits der Neiße schweben. Eine Attraktion für alle, die ihre Höhenangst loswerden möchten, den Rundumblick und kühle Drinks genießen wollen. Mit der Selbstbedienungsfähre kann man sich schon jetzt ins Nachbarland hinüberziehen und Neuland erkunden. Wenn die Sonne gen Westen tiefer sinkt, Große und Kleine vom Spaßen und Spielen ermattet sind, dann beginnt auf der Baumhausplattform der Ofen zu bullern. Immer wieder muss er mit Holz gefüttert werden, damit der Kannibalenkessel schnauft, knattert und dampft. Ist er nach Stunden endlich heiß genug, dann folgt noch ein letztes gemeinschaftliches Bad, nicht ohne spritzen und kreischen. Dann strebt jeder seinem Nest zu, um das süße Betthupferl zu finden, das die Baumhausgeister so gut versteckt haben.

• Infos: Kulturinsel Einsiedel, Kulturinsel Einsiedel 1, 02829 Neißeaue OT Zentendorf, Tel.: (035891) 491-0, Fax: -11, E-Mail: info@kulturinsel.de, www.kulturinsel.de
• Lage: Die Kulturinsel Einsiedel liegt zwischen Rothenburg und Görlitz nahe Zentendorf in Südostsachsen.
• Buchtipp: »Die Lausitz entdecken«, Trescher Verlag. Mit vielen Ausflugstipps in der Umgebung, u.a. Bad Muskau, Niesky und Görlitz.

Geisterhaus in den Baumwipfeln der Kulturinsel Einsiedel.
Geisterhaus in den Baumwipfeln der Kulturinsel Einsiedel.
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