PLATTENBAU

  • Erik Brandt-Höge
  • Lesedauer: 3 Min.

Als Beck Hansen 1994 mit seinem Song »Loser« die von Kurt Cobain alleingelassenen High-School-Schwänzer balsamierte, ja sogar mit der sogenannten Generation X in Verbindung gebracht wurde, war das Großinteresse an ihm nicht mehr zu steigern. Plattenfirmen stritten um ihn, von Kids bis Studis waren alle Fans, und überhaupt: Grüner schien es nicht zu werden für den neuen Goldjungen der US-amerikaischen Alternative-Musik. Dass Beck mit »Loser« nur das damalige Modewort seiner Kumpels meinte, die sich der Einfachheit halber alle mit »Verlierer« anredeten – ob sie nun einer waren oder nicht – schien niemanden groß zu interessieren. Wer Beck hörte, war cool. Wer ihn verstehen wollte, war raus.

Die Nummer-Eins-Single, mit einem simplen Slide-Gitarrenriff und dem nur so dahingetrödelten Refrain, sollte allerdings über Jahre Becks größter Erfolg bleiben, viele seiner folgenden Veröffentlichungen blieben ungeliebt. Erst 2005, pünktlich zum Medien-Tara um sein spätes Scientology-Bekenntnis, gelang ihm mit »E-Pro« vom »Guero«-Album die nächste Positionierung an der Spitze der US-Charts. Freilich konnte das Stück selbst, eine »Na-na-na«-Nummer mit Sommerfestivalhit-Potenzial, den Imageverlust des Musikers kaum mehr stoppen.

Lustig hierzu: Erst jetzt machte man sich ernsthafte Gedanken um die schlimme Religiosität von Beck. Justin Meldal-Johnson, sein Bassist schon auf »Midnite Vultures« (1999), ist der Sohn von Trevor Meldal-Johnson, einem der prominentesten Autoren der umstrittenen Kirche. Schon 1980 hatte dieser das Pro-Scientology-Buch »The Truth about Scientology« geschrieben. Und wer hatte gleich – auch auf »Midnite Vultures« – Becks Streicher arrangiert? Sein Vater David Campbell, ebenfalls hochrangiges Mitglied von Scientology. Hätte man also auch früher drauf kommen können, dass Beck selbst nicht weit vom Stamm gefallen war. Trotz all dem Ärger um seine Person hat dieser sich nicht ernsthaft verwirren lassen (das »Scientology Celebrity Centre« ermöglicht den dort registrierten Künstlern schließlich Sicherheiten, ihrem Handwerk weiterhin in Ruhe nachgehen zu können), und nach seiner mittelmäßig eingeschlagenen Songsammlung »The Information« (2006) ist jetzt wieder was Neues fertig: »Modern Guilt«.

Das von Gnarls-Barkley-Star Brian Burton alias Danger Mouse produzierte Album ist sicher nicht das, was Beck erneut zum überdimensionalen Radiostar machen wird, aber man begegnet darauf der gewohnt pfadfinderischen Songwriting-Art wieder, die eben nur er hat. Die erste Auskopplung »Chemtrails« ist mit ungemein viel Hall und alles überschattendem, pompösem Getrommel noch eine schluffige 60er-Jahre-Rock-Hommage, aber dann: Das Titelstück ist zügiger, fröhlicher, ein Western-Liedchen mit glockenhellem Beck-Gesang. »Walls« hat neben ordentlichem Rumgepumpel vom Schlagzeug eine tolle Geigenmelodie, und der in »Replica« angedeutete Drum 'n' Bass-Rhythmus unter melancholischen Pianolinien macht Beck einmal mehr zum No-Genre-Clown.

»Modern Guilt« ist nichts für Hit-Sammler oder mittlerweile bürgerlich gewordene Beck-Anhänger der ersten Stunde. Aber es erscheint just in einer Zeit, in der Indie-Alleinunterhalter wieder so relaxt (und relevant) sein wollen, wie Bob Dylan. Beck ist nah dran.

Beck: Modern Guilt (XL/Beggars/ Indigo)

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