Sachsens Minister als Totalverweiger

Verfassungsgericht verhandelt zu »Sumpf«-Ausschuss / Kaum noch Zeit zur Aufklärung

  • Hendrik Lasch, Leipzig
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit einem Jahr liegt der Untersuchungsausschuss zum »Sumpf« in Sachsen auf Eis. Das Leipziger Verfassungsgericht klärt jetzt, ob die Regierung Akten herausrücken muss.

Die Zeit wird immer knapper: Frühestens Anfang September, ein Jahr vor der Landtagswahl, kann ein Ausschuss des sächsischen Landtags, der Fragen rund um die »Sumpf«-Vorwürfe vom Sommer 2007 klären soll, seine Arbeit aufnehmen. Denn erst am 29. August wird das Leipziger Verfassungsgericht urteilen, ob der Beschluss zu dessen Einsetzung mit der Verfassung in Einklang steht. Seit er gefasst wurde, sind dann 13 Monate und zehn Tage verstrichen.

Das Schauspiel, das sich derzeit in Dresden abspielt, ist bundesweit beispiellos, sagt Martin Morlok. Er vertritt den Ausschuss in dem Verfahren gegen die Staatsregierung, die sich beharrlich weigert, Akten an das Gremium herauszurücken oder Aussagegenehmigungen zu erteilen. Dies sei »ein singulärer Fall von Totalverweigerung«, sagt der Düsseldorfer Jurist. Die Kläger schimpfen, das Verhalten sei selbst bei teilweiser Verfassungswidrigkeit des von LINKE, FDP und Grünen gefassten Beschlusses über die Einsetzung »nicht hinnehmbar«.

Allerdings monieren die CDU und ihre Minister insbesondere im Innen- und Justizressort nicht nur einige kritikwürdige Passagen. Sie argumentieren, der im Juli 2007 gefasste Beschluss, das Gremium einzusetzen, sei in Gänze »nichtig«. Die Liste der dabei geltend gemachten Regelverstöße ist lang: Der Gegenstand der Untersuchung sei zu vage gefasst, viele Fragen berührten den Kernbereich der Regierungsgeschäfte, es würden zu viele Wertungen vorweggenommen; und schließlich sei das Pensum mit acht Themenkreisen, fünf Fragekomplexen und rund 80 Unterpunkten angesichts der Kürze der verbliebenen Zeit viel zu umfangreich: Ein Ausschuss, der thematisch so überfrachtet werde, »denaturiert« und werde zum bloßen »Theater«, sagt Klaus Finkelnburg, Anwalt der Regierung.

Nicht nur den letzten, angesichts des monatelangen Zeitspiels eher grotesken Vorwurf weist Morlok zurück. Während Finkelnburg den Einsetzungsbeschluss eine »Blankoermächtigung« nennt, weil »außer der Kirche« sämtliche Institutionen mit dem »nebulösen Begriff« krimineller Netzwerke in Verbindung gebracht würden, betont Morlok, parlamentarische Untersuchungsgremien würden »regelmäßig in Situationen des Verdachts« eingesetzt, in denen noch nicht genau absehbar sei, wo die Schwerpunkte des Interesses lägen: »Man formuliert im Zweifel breit.« Kritik am Begriff der kriminellen Netzwerke weist er unter Verweis auf eine Rede von Innenminister Albrecht Buttolo im Juni 2007 im Landtag zurück, in der jener diesen Begriff ebenfalls gebraucht hatte: »Man muss den Minister beim Wort nehmen dürfen!«

Auch in vielen weiteren Punkten stehen sich die Positionen unversöhnlich gegenüber. Während Finkelnburg kritisiert, im Oppositionsbeschluss werde der »Sumpf«, von dem zwischenzeitliche Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nicht viel übrigließen, unzulässigerweise »als gegeben unterstellt«, hält Morlok dem Ausschuss zugute, auch ein Instrument der Opposition zu sein: »Politische Wertungen sind daher sein Geschäft.« Wenn Finkelnburg betont, das Interesse an Aufklärung habe an der »Tür des Kabinettszimmers« zu enden, warnt Morlok, die Regierung habe »keine Berechtigung, die Rollläden herunterzulassen«.

Wie sich die neun Verfassungsrichter um die Vorsitzende Birgit Munz entscheiden werden, ist allenfalls zu ahnen. Nachfragen deuten darauf hin, dass der Untersuchungsauftrag in Teilen durchfallen könnte, in Passagen aber Bestand haben wird. Ob derlei »chi-rurgische Eingriffe« endlich zügige Aufklärung nach sich zögen oder das Thema endgültig beerdigten, ist offen. Ausschusschef Klaus Bartl (LINKE) hatte dieser Zeitung kürzlich gesagt, es habe ohnehin eine »gewisse Umorientierung« gegeben. Von Interesse sei nun vor allem, ob die Aufsicht über das Landesamt für Verfassungsschutz als Urheber der Sumpf-Vorwürfe versagte. Selbst zur Klärung dieser Frage müsste in den verbleibenden Monaten hart gearbeitet werden.

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