Atomdebatte blendet Endlagerproblem aus

Bürgerinitiativen veranstalten Atommüll-Seminar im Wendland

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.
Zur Vorbereitung auf das Endlager-Hearing des Bundesumweltministeriums Ende Oktober in Berlin laden Bürgerinitiativen an diesem Wochenende zu einem Endlager-Seminar ins Wendland ein.

Die Parole »Über Atommüll reden wir erst, wenn alle Atomkraftwerke stillgelegt sind« hatte in den Hoch-Zeiten der Anti-Atom-Bewegung Konjunktur. Jede Beteiligung an der Diskussion um eine möglichst sichere Endlagerung des radioaktiven Schrotts, so wurde seitens vieler Initiativen argumentiert, legitimiere nur den Weiterbetrieb der Meiler. Tatsächlich haben viele Atomgegner schon immer über Atommüll geredet, vor allem die Bürgerinitiativen an den Standorten der End- und Zwischenlager.

Auch in den neu entbrannten Streit um die Zukunft der Atomkraft mischt sich die Anti-Atom-Bewegung mit dem Hinweis auf die ungelöste Entsorgung des Atommülls ein. Dieses große Problem werde von der Atomlobby und ihren politischen Verbündeten völlig ausgeblendet, erklärte am Donnerstag die Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. Sie hat gemeinsam mit anderen Gruppen für dieses Wochenende zu einem Endlager-Seminar ins Wendland eingeladen.

»Die Medienkampagne für die Verlängerung der AKW-Laufzeiten und die Mär vom billigen Atomstrom ist zu durchsichtig angelegt, es geht den Akteuren nicht um gesellschaftliche Verantwortung, sondern um Profite«, warnt ein BI-Sprecher. Wer Atommeiler monatelang repariere und dabei auf eine erhoffte Kursänderung in der Atompolitik schiele, mache sich in der Debatte um die Energieträger der Zukunft unglaubwürdig.

Kosten hingegen würden auf die Steuerzahler abgeladen. Die havarierten Atommülldeponien Asse II und Morsleben schlügen bei den Müllverursachern mit keinem Cent zu Buche. Eine vergleichende Standortsuche alternativ zu Gorleben, wie sie inzwischen politisch und wissenschaftlich als Mindestvoraussetzung bei der Endlagersuche anerkannt sei, müsse von den Verursachern des Mülls getragen werden. »Wer an der Atomkraft verdient, muss auch dafür zahlen«, so die Bürgerinitiative. Die Atomgegner warnen gleichzeitig vor Abstrichen in der Sicherheitsphilosophie bei einem künftigen Endlager für hochradioaktiven Müll. »Aus den Erfahrungen in Asse II muss unbedingt der Schluss gezogen werden, dass als Sicherheitsbarriere das Deckgebirge unverzichtbar, also eine Wasser abweisende durchgehende Tonschicht vorhanden ist«, fordert die BI. Das offiziell so genannte »Versuchsendlager« Asse säuft bekanntlich ab, radioaktive Lauge greift die Fässer an. Was in der ehemaligen Kaligrube bei Wolfenbüttel geschieht, dürfe sich in Gorleben nicht wiederholen, so die Bürgerinitiative. In Gorleben habe es auch in der Phase des Abteufens der Schächte »Laugennester« und ungeklärte Wasserzuflüsse gegeben.

Bei dem Seminar am Wochenende sind neben Berichten von den Endlager-Standorten Referate des Physikers Wolfgang Neumann und des Geologen Detlef Appel angekündigt. Die Veranstaltung dient gleichzeitig der Vorbereitung auf das Endlager-Hearing des Bundesumweltministeriums vom 30. Oktober bis 1. November in Berlin. Im Rahmen des Seminars gibt es auch einen »Sonntagsspaziergang« zu den Gorlebener Atomanlagen.

Informationen:
Tel. 05841/4684, Fax 05841/3197, www.bi-luechow-dannenberg.de

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