nd-aktuell.de / 15.07.2008 / Politik / Seite 5

Kampf um den Äther

Unterbrochenes Feature – das niedersächsische Radio Flora streitet um die Ausrichtung

Peter Nowak
»Die Kampagne – Beseitigung eines selbstverwalteten Rundfunkbetriebes in Hannover«, hieß das Feature, dass am 7. Juli über den Äther des Freien Radios Flora in Niedersachsens Landeshauptstadt laufen sollte. Plötzlich wurde die Übertragung unterbrochen und Rockmusik eingeschaltet.

Die verantwortliche Redakteurin Marion Tremmel sprach zunächst über Verfolgung von Journalisten in verschiedenen Ländern – und wollte dann zum eigentlichen Gegenstand der Sendung kommen. Minuten vor Sendebeginn habe ein Techniker Tremmel mitgeteilt, dass er auf Anweisung des Chefs ihre Sendung abbrechen müsse, so Hubert Brieden gegenüber ND. Der langjährige Mitarbeiter von Radio Flora spricht von einem in der Rundfunkgeschichte nach 1945 einmaligen Vorgang von Zensur. Ein Mitglied des Trägervereins von Radio Flora mochte in der Absetzung keine Zensur sehen. Themen, die alle angingen, müssten auf der Programmkonferenz vorgestellt werden, bevor sie gesendet werden. Das aber sei in diesem Fall nicht geschehen. Das unterbrochene Feature nahm die Entwicklung des Senders kritisch aus Sicht eines langjährigen Freie-Radio-Mitarbeiters unter die Lupe.

Im Konflikt steht auf der einen Seite der Senderleiter. Der Ex-Bild-Mitarbeiter wird von den hauptamtlichen Mitarbeitern unterstützt, die ein Bürgerradio etablieren wollen – dabei soll auf die Quote geachtet werde. Auf der anderen Seite stehen die ehrenamtlichen Mitarbeiter, die eine Rückbesinnung auf Ziele der Freien Radios anmahnen. Brieden erinnert daran, dass die Wurzeln von Radio Flora in der Anti-AKW-Bewegung liegen. Gegenöffentlichkeit und Basisdemokratie seien die Grundsätze gewesen. Für die hochmotivierte Gründergeneration sei es klar gewesen, dass sie ihre Sendearbeit unbezahlt machen. Doch die ökonomischen Zwänge der Beteiligten führten dazu, das man über die ersten ABM-Stellen im Sender froh war. Im Nachhinein sieht Brieden hier den Beginn einer Entwicklung, bei der politische Inhalte immer mehr in den Hintergrund traten. Schon 1999 musste sich ein Mitarbeiter des Magazins International rechtfertigen, weil er sich über den Äther gegen den Angriff auf Jugoslawien positionierte.

Dass sich der Konflikt jetzt zuspitzt, liegt auch an der Politik. Die niedersächsische Landesmedienanstalt will demnächst über die Zukunft der Frequenz 106,5 MHz entscheiden. Dafür haben neben Radio Flora auch der wirtschaftsfreundliche Neustädter Bürgerfunk und das kommerzielle Radioteam Niedersachsen Interesse angemeldet. Brieden befürchtet, dass Radio Flora schon im Vorfeld auf Linie gebracht werden soll. Zur Zeit darf die Redaktion International, zu der der Kritiker gehört, gar nicht mehr senden. Der Bundesverband Freie Radios, in dem auch Radio Flora Mitglied ist, hat in einem Offenen Brief die publizistische Freiheit der Mitarbeiter angemahnt. Die gehöre zu den Grundlagen des Verbandes und dürften nicht zur Disposition gestellt werden.