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Verweigerte Hilfe

Italiens Kirche dominiert auch Diskurs um Tod

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 2 Min.
Obwohl Italiens Staatspräsident das Parlament gebeten hatte, sich mit dem Thema Sterbehilfe zu befassen, passierte kaum etwas.

Piergiorgio Welby wollte sterben: Im September 2006 sandte der 60-jährige, von seiner unheilbaren Krankheit gezeichnete Mann einen offenen Brief an den italienischen Staatspräsidenten: Es bat, sterben zu dürfen, beziehungsweise dem ein Ende zu setzen, was er selbst nicht mehr als Leben empfand.

Natürlich kann Giorgio Napolitano eine solche Erlaubnis nicht erteilen. Aber er schrieb seinerseits einen Brief ans Parlament und bat die Volksvertretung, sich endlich dem Thema Sterbehilfe zuzuwenden. Man solle doch mit einem Gesetz die widersprüchlichen Normen angleichen, die es in der Verfassung und im Gesetzbuch gibt: Auf der einen Seite das in der Verfassung festgeschriebene Recht jedes Bürgers, selbst über Behandlungsmethoden im Krankheitsfall entscheiden zu dürfen und eventuell auch lebensverlängernde Maßnahmen abzulehnen. Auf der anderen aber das Verbot für den Arzt, Eingriffe durchzuführen, die zum Tod des Kranken führen.

Im Falle Welbys hatten die Ärzte immer abgelehnt, dem Patienten, so wie er es wollte, erst ein Narkosemittel zu spritzen und dann die Beatmungsmaschine abzuschalten, die ihn am Leben hielt. Denn: In dem Moment, in dem die Narkose wirkt, kann Welby nicht mehr selbst entscheiden. Und da es in Italien keine gesetzlich anerkannte Patientenverfügung gibt, die anderen Personen in solch einem Fall die Entscheidungsverantwortlichkeit überträgt, durfte Welby nicht sterben. Welby fand im Dezember 2006 dann doch einen Arzt, der seinen Willen realisierte. Der Arzt wurde wegen Mordes angeklagt, die Anklage aber fallen gelassen.

Welby war katholisch und hatte in seinem Testament ein katholisches Begräbnis vorgesehen. Das wurde ihm allerdings verweigert: Er hatte mehrmals seinen Willen bekundet, sterben zu wollen. Das – so die Kirche – stehe im Kontrast zur katholischen Lehre. Also kein religiöses Begräbnis.

Nachdem sich die Wogen um den Fall Welby geglättet hatten, war auch das Thema Sterbehilfe wieder vom Tisch. Bis gestern. Da berichteten Zeitungen, dass der Senat nun ein Sterbehilfe-Urteil des Kassationshofs vom Verfassungsgericht prüfen lassen will. Dieser hatte letztinstanzlich die Beendigung der künstlichen Ernährung einer Komapatientin genehmigt. Dies zeigt, wie groß der Einfluss der katholischen Kirche auch in dieser Frage ist und wie gering der Mut der Volksvertreter, sich von ihm frei zu machen.

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