Mit Trotz in Richtung Brüssel

Kroatien und Serbien gegen EU-Beitrittsstopp

  • Boris Raseta, Zagreb
  • Lesedauer: 2 Min.
Zagreb und Belgrad drängen nach EU-Europa – trotz aller Probleme mit dem Lissabonner Vertrag und kritischer Stimmung in der Bevölkerung.

Eigentlich hätte der vom französischen Präsidenten nach dem irischen Nein zum EU-Reformvertrag angekündigte Erweiterungsstopp in Kroatien wie eine kalte Dusche wirken müssen. Doch die Spitzenpolitiker in Zagreb ignorieren das Desaster. »Die Aussage von Sarkozy bezieht sich nicht auf uns«, ist sich Staatspräsident Stipe Mesic sicher. »Sarkozy hat mir versichert, dass Kroatien auf der sicheren Seite ist«, beteuert auch Regierungschef Ivo Sanader.

Laut bisherigen Planungen soll Kroatien Anfang 2011 der EU beitreten. »In dieser Zeit wird die Union eine Lösung finden«, wird Premier Sanader nicht müde zu versichern. Die regierungsunabhängigen Zeitungen sehen dagegen eine »herbe Krise« oder gar eine »Apokalypse« in den Beziehungen zwischen Brüssel und Zagreb. Die EU-Krise gibt dem ohnehin weit verbreiteten »Euroskeptizismus« Auftrieb. Die wachsende Distanz der Bevölkerung drohe, »das Reformtempo zu verlangsamen«, sagt der frühere Außenminister Mate Granic. Denn die EU wird wegen »antikroatischer Bedingungen« zunehmend kritisiert. Da ist zum Beispiel das Ende der kroatischen Schiffbauindustrie, die wegen Streichung heimischer Subventionen – solche staatliche Unterstützung ist in der EU prinzipiell unzulässig – vor dem Aus steht. Das bedeutete den Verlust von rund 20 000 Arbeitsplätzen. Empfindlich reagiert die Bevölkerung auch auf den geplanten Erwerb von Grund und Boden durch Ausländer. Die Regierung will eine entsprechende Erlaubnis um zwölf Jahre verschieben, weil sie Angst vor einem Ausverkauf der Adriaküste hat.

Doch selbst wenn die Hindernisse für weitere Beitritte innerhalb der EU beiseite geräumt werden könnten, steht Kroatien noch in der Bringepflicht. Denn das Land hat bis heute bei den Beitrittsverhandlungen erst drei Themenkapitel abgeschlossen – 20 warten noch darauf, angegangen zu werden. Am meisten ärgert die kroatischen EU-Enthusiasten, dass ihr Beitritt im gleichen Atemzug mit dem des Nachbarn Serbien genannt wird. Kroatien habe schon lange den Weg in Richtung »Europa« eingeschlagen, Serbien stattdessen die vielen selbst aufgetürmten Hindernisse noch nicht beseitigt. Zagreb sieht sich viel näher an Brüssel und fürchtet, dass sich der EU-Beitritt durch die Verbindung mit Serbien verzögern könnte. Allerdings hat die serbische Regierung inzwischen ein atemberaubendes Tempo bei der Annäherung an EU-Europa vorgelegt. Schon Mitte Dezember könnte Serbien offizieller Beitrittskandidat werden.

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