Merkel lässt ThyssenKrupp hoffen

Algerien-Reise der Kanzlerin diente vor allem Wirtschaftsinteressen

  • Ulrich Scharlack, Algier
  • Lesedauer: 3 Min.
Algerien ist dank seiner reichen Öl- und Gasreserven ein potenzielles Wirtschaftsboomland. Kein Wunder, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel auf ihrem am Donnerstag – es war ihr 54. Geburtstag – zu Ende gegangenen Zweitagetrip nach Algier von einer Schar hochkarätiger deutscher Wirtschaftslenker begleitet wurde.

Und die Herren vom Rüstungskonzern Rheinmetall bis hin zum Energieriesen RWE hofften auf dem Heimflug, dass sie mit der Reise dem einen oder anderen guten Geschäft mit dem nordafrikanischen Land mit seinen 69 Milliarden Euro Devisenreserven ein gutes Stück näher gekommen sind.

Praktisch auf jeder größeren Auslandstour in den vergangenen drei Jahren hat die Kanzlerin wie ihre Vorgänger Wirtschaftsleute mit an Bord gehabt.

Neu war in Algier aber, wie offensiv sich Merkel für die Anbahnung von Geschäften einsetzte und als Fürsprecherin des deutschen Außenhandels auftrat. Sie machte deutlicher noch als bei früheren Gelegenheiten keinen Hehl daraus, dass sie sich als »Türöffnerin« verstehe. Mit Blick auf die deutsch-algerischen Wirtschaftsbeziehungen fielen Sätze wie »Wir können und wollen uns steigern. Oder: Es sollten »Nägel mit Köpfen« gemacht werden. Die deutsche Wirtschaft wolle die »Herzen, Köpfe und Genehmigungen« in Algerien erreichen, hieß es auch.

Nun ist Merkel immer wieder auf Veranstaltungen von Außenhandelskammern wie im April im brasilianischen São Paulo oder im vorigen Jahr im südafrikanischen Johannesburg aufgetreten. Auch dort hatte sie für Geschäfte mit deutschen Firmen geworben. Anders als bei mancher Reise ihres Vorgängers Gerhard Schröder war die Wirtschaft aber immer nur ein Aspekt unter mehreren bei den Auslandstrips der Kanzlerin. In Algier stand die Ökonomie stark im Mittelpunkt, auch wenn sich Merkel am Schlusstag neben ihren offiziellen politischen Gesprächen auch nach der Lage der Frauen in Algerien erkundigte.

Vielleicht hatte Merkel in ihren Gesprächen gespürt, dass in Algerien, einem Land mit enormen Aufholbedarf, tatsächlich ein überproportionales Interesse an einem stärkeren Wirtschaftsaustausch mit Deutschland besteht. Es schien jedenfalls ganz so, als wolle sie in Algier eine günstige Gelegenheit beim Schopfe packen. Möglich ist auch, dass die Kanzlerin im Hinterkopf die Meldungen über die sich eintrübenden Exportaussichten wegen des hohen Eurokurses hatte – und sie deshalb in ihrer Rolle als Akquisitorin mehr betonte.

Bis auf einen Vertrag wurde konkret zwar noch nichts Schriftliches unter Dach und Fach gebracht. Aber der Vorstandschef von ThyssenKrupp, Ekkehard Schulz, zeigte sich zum Beispiel durchaus hoffnungsvoll, dass mit Beteiligung des Essener Konzerns in Algerien eine der größten Düngerfabriken der Welt entstehen und auch der Verkauf von vier Fregatten mit einem Volumen von fünf Milliarden Euro bald konkrete Formen annehmen könnte.

Als einziges Abkommen wurde ausgerechnet ein Vertrag unterschrieben, bei dem gar nicht so sehr das eigentliche wirtschaftliche Volumen, sondern vielleicht mehr noch die ideelle Seite im Mittelpunkt steht. Eine Arbeitsgemeinschaft aus einem Architekten- und einem Ingenieurbüro aus Deutschland erhielt den Planungsauftrag für den Bau der drittgrößten Moschee der Welt in Algier. »Das wäre ungefähr so, als wenn das Erzbistum Köln ein saudisches Unternehmen mit der Renovierung des Doms beauftragen würde«, meinte ein Mitglied von Merkels Delegation. Es geht um einen gigantischen Bau für 40 000 Gläubige mit einem 214 Meter hohen Minarett.

Merkel fragte dezent beim algerischen Staatspräsidenten Abdelaziz Bouteflika nach, ob so eine große Investition damit in Einklang zu bringen sei, dass in Algerien die Hälfte der Jugend keine Arbeit habe und das, wo doch mehr als 60 Prozent der Bevölkerung in Algerien jünger als 25 Jahre sei. Bouteflika soll geantwortet haben, dass die Ökonomie das eine sei, aber auch die Seele des Volkes erreicht werden müsse. dpa

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