• Politik
  • CSU-Parteitag heute und morgen

Merkel als Star in Nürnberger Messehalle

Angst um absolute Mehrheit der CSU geht um

  • Carsten Hoefer und Marc-Oliver von Riegen
  • Lesedauer: 3 Min.
Angela Merkel übernimmt heute eine neue Rolle: Hauptdarstellerin auf einem CSU-Parteitag. Augen, Ohren, Kameras und Mikrofone – alles wird sich in Nürnberg auf die Kanzlerin richten. Thema: der Streit um die Pendlerpauschale, die die CSU in alter Form wiederhaben will, die CDU-Vorsitzende aber nicht. Gibt Merkel nach? Bringt sie der bayerischen Schwesterpartei, die am 28. September eine schwere Landtagswahl zu bestehen hat, eine Botschaft aus Berlin?

Seit der Wahl zur Kanzlerin 2005 hat Merkel bei CSU-Parteitagen eine erstaunliche Karriere gemacht. Früher waren ihre Gastauftritte dekoratives Beiwerk, während sich die CSU im eigenen Glanze sonnte. Die Delegierten pflegten Merkel kühl zu empfangen, um sie nach der Rede mit mäßigem Beifall wieder hinauszukomplimentieren. Doch heute finden sich CSU-Chef Erwin Huber und Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein voraussichtlich in Nebenrollen wieder. Erst der zweite Tag des Treffens wird ihnen gehören.

Verschobene Gewichte

Merkels gestiegene Bedeutung spiegelt die verschobenen Gewichte im unionsinternen Machtgefüge wider. Dabei ist der Streit, ob die Pendlerpauschale in voller Höhe wieder eingeführt wird, für die CSU eher von sekundärer Bedeutung. Fast alle in der CSU-Spitze glauben, dass Merkel früher oder später auf ihren Kurs einschwenken wird. »Ich gehe davon aus, dass die Kanzlerin noch etwas anbieten wird«, sagt Landesgruppenchef Peter Ramsauer. Dass das Angebot schon heute kommt, gilt indes eher als unwahrscheinlich.

Doch in der CDU – so das christsoziale Kalkül – wird vor der Bundestagswahl im September 2009 der Druck auf Merkel stetig zunehmen, den Bürgern Gutes zu tun. In der CSU wird allgemein erwartet, dass das Bundesverfassungsgericht die jetzige Regelung kippen wird, die Pauschale erst vom 21. Kilometer an zu zahlen. »Da sind wir eindeutig auf der Siegerstraße«, meint Staatskanzleichef Eberhard Sinner.

Doch die CSU-Delegierten in der Nürnberger Messehalle treibt eine weit wichtigere Frage um: Rutscht die Partei bei der Landtagswahl unter 50 Prozent? Die Chaos-Monate nach der Machtübernahme Hubers und Becksteins im Herbst 2007 stürzten die CSU in ein Umfragetief; inzwischen scheint der Trend leicht nach oben zu deuten. Die Zuversicht wächst, dass die seit 1962 alleinregierenden Christsozialen ihre absolute Mehrheit zum zwölften Mal in Folge verteidigen.

Aufeinander angewiesen

Doch nach wie vor gibt es Verunsicherung. »Umfragen sind wie Parfüm«, sagt Sinner. »Man sollte dran riechen, aber nicht davon besoffen werden.« Viele CSU-Politiker registrieren Unzufriedenheit bei den Wählern. Entscheidend wird sein, ob enttäuschte CSU-Anhänger in Scharen daheimbleiben. »Was machen die, die uns einen Denkzettel verpassen wollen?«, sinniert ein Kabinettsmitglied.

Um in Bayern und im Bund erfolgreich zu sein, brauchen sich Merkel, Huber und Beckstein jedoch gegenseitig. Bei Bundestagswahlen würde die CDU ohne die CSU-Stimmen aus Bayern unter 30 Prozent rutschen. Und eine Niederlage der CSU bei der Landtagswahl wäre auch für Merkel eine Katastrophe. »Wir brauchen ein gutes Ergebnis in Bayern, damit Merkel Bundeskanzlerin bleibt«, so Sinner. Insofern ist die Kritik Hubers und Becksteins an Merkel inzwischen wieder leiser geworden. Die Attacken aus München waren selbst bei CSU-Politikern in Berlin nicht gut angekommen. Denn am Ende einer offenen Machtprobe wäre eine der beiden Unionsschwestern die Verliererin – was alle vermeiden wollen. Und sollte die CSU unter 50 Prozent rutschen, wäre nach allgemeiner Einschätzung nicht Merkel das allererste Opfer, sondern Huber. dpa

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal