nd-aktuell.de / 18.07.2008 / Politik / Seite 1

Steinmeier in »Freundesmission«

Deutscher Außenminister will im Streit um Abchasien vermitteln

Irina Wolkowa, Moskau
Frank-Walter Steinmeier ist auf Reisen: Am Donnerstag traf er in der georgischen Hauptstadt Tbilissi ein, heute will er im abchasischen Suchumi sondieren, um anschließend in Moskau mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow zu konferieren.

Mancher hält es für eine »Mission impossible«: Deutschlands Chefdiplomat soll versuchen, die Regierung Georgiens, die abtrünnigen Abchasen und deren Schutzmacht Russland für einen Dreistufenplan zu gewinnen, durch den die Konflikte im Südkaukasus einer dauerhaften Lösung zugeführt werden.

Anfang der 90er hatten sich Abchasien und Südossetien, zu sowjetischen Zeiten Autonomien innerhalb der Georgischen SSR, für unabhängig erklärt. Tbilissi aber erhält seine Ansprüche auf beide Regionen aufrecht. Die wiederum streben ein Assoziierungsabkommen mit Moskau oder gar die Aufnahme in die Russische Föderation an. Ein Großteil der Bevölkerung hat bereits russische Pässe.

Nachdem Moskau im April direkte Beziehungen zu beiden Regionen angekündigt hatte, wuchsen die Spannungen zwischen Georgien, den Separatisten und Russland. Vorläufiger Höhepunkt waren Anfang Juli Sprengstoffanschläge in Abchasien, deren Drahtzieher die einen in Tbilissi, die anderen in Moskau vermuten. Fast zeitgleich beschoss georgische Artillerie die südossetische Hauptstadt Zchinwali. Daraufhin drangen russische Kampfflugzeuge in den georgischen Luftraum ein, um – wie aus dem Moskauer Außenministerium verlautete – die »Hitzköpfe in Tbilissi abzukühlen«.

Unmittelbar danach begannen Russland und Georgien mit größeren Manövern in der Krisenregion. Beide Seiten üben dabei das Vorgehen im Falle einer weiteren Zuspitzung der Lage. Enttäuscht darüber, dass sich sowohl die EU als auch die USA bisher nur zu verbaler Unterstützung für Georgiens territoriale Integrität aufraffen konnten, hat Tbilissi darüber hinaus die GUAM – ein Bündnis prowestlicher ehemaliger Sowjetrepubliken und anderer osteuropäischer Staaten – als Krisenmanager verpflichtet.

Dem auf einem GUAM-Gipfel im georgischen Batumi beschlossenen Friedensplan folgt in groben Zügen auch ein Strategiepapier der sogenannten Freundesgruppe der Vereinten Nationen für Georgien. Ihr gehören Großbritannien, Russland, die USA und Deutschland an, das gegenwärtig den Vorsitz innehat. Steinmeier fällt nun die heikle Mission zu, alle Konfliktparteien auf den Dreistufenplan einzuschwören. Der Plan sieht in einem ersten Schritt vor, dass Abchasien und Georgien gegenseitig auf Gewalt verzichten und über eine Rückkehr georgischer Flüchtlinge nach Abchasien sprechen. Im Anschluss soll der Wiederaufbau in Angriff genommen und erst in Phase drei der Status Abchasiens geklärt werden.

Die Statusfrage werde er mit Steinmeier keinesfalls erörtern, ließ der abchasische Außenminister Sergej Schamba in Suchumi schon am Donnerstag wissen. Überhaupt sei die Voraussetzung für jegliche Verhandlungen mit Georgien ein Abzug der georgischen Truppen aus dem Kodori-Tal an der gemeinsamen Grenze.

Auch Russlands Außenminister Lawrow kritisierte in Moskau das westliche Herangehen an den Abchasienkonflikt. Ein Abkommen über gegenseitigen Gewaltverzicht werde blockiert, wenn man dessen Unterzeichnung an die gegenwärtig »völlig unrealistische« Rückkehr georgischer Flüchtlinge nach Abchasien kopple. Vor einer solchen Rückkehr müssten sich zunächst die Situation beruhigen und das Vertrauen wiederhergestellt werden.

»Wir machen uns keine Illusionen, eine einfache Lösung wird es nicht geben«, sagte Steinmeier denn auch schon auf dem Flug nach Tbilissi. Die Lage sei »schwierig und angespannt«. Aber einer weiteren Zuspitzung tatenlos zuzusehen, hielt der deutsche Außenminister für »unverantwortlich«.